Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)
verfolgt von immer näher kommenden Schreien. Plötzlich stand eine Wache vor ihm und versuchte, ihn mit ihrer Lanze aufzuspießen. Slawnik, der immer noch sein Schwert gezückt hielt, wich dem Hieb aus, schnellte vor und traf den Gegner in die Seite. Die Wache presste die Hände auf die Wunde und fiel zu Boden.
Slawnik stieg in den Sattel und trieb sein Pferd an, er preschte aus den Stallungen und ritt in rasendem Galopp auf das Tor in der Mauer zu. Wachen, Mönche und Pilger sprangen beiseite, damit sie nicht überrannt wurden. Plötzlich sirrte ein Pfeil um seinen Kopf, die Bogenschützen hatten auf der Mauer Aufstellung genommen. Wieder schwirrte die Luft, und Slawnik wurde mitten in die Brust getroffen.
Das Pferd schien seinen Schmerz zu spüren und blieb wiehernd stehen. Slawnik glitt mit der Hand unter das Lederwams und betastete die Wunde. Die Pfeilspitze hatte das Kreuz getroffen und das Holz vollkommen durchbohrt, dann war sie weiter durch sein Hemd bis ins nackte Fleisch gedrungen. Er verlor Blut.
Er wollte erneut davongaloppieren, aber ein Trupp Wachen hatte ihn schon umzingelt. Keineswegs eingeschüchtert, zog er die Zügel an, dass sein Pferd sich aufbäumte. Die Männer wichen zurück, einige wurden von den Hufen des Tiers getroffen und zu Boden geschleudert. Der schwarz gekleidete Reiter erhob sein Schwert, ließ es durch die Luft wirbeln und landete einen furchtbaren Hieb auf den Kopf eines Soldaten, dem er die Kettenhaube spaltete. Der Mann sank wie ein lebloses Bündel zu Boden, und der Weg war frei.
Das Pferd trat immer noch wie tollwütig aus, preschte vor und befreite sich aus der Menge.
Slawnik senkte den Kopf nach vorn und ritt schnell wie ein Pfeil auf die Mauer zu. Um ihn herum schwirrten die Pfeile der Bogenschützen, doch sie trafen ihn kein zweites Mal. Er galoppierte durch das Tor, bevor es geschlossen werden konnte.
Nun war er außerhalb der Mauern von San Michele della Chiusa und damit in Sicherheit.
32
Ignazio hatte mit Uberto und Willalme in einem Gasthaus unweit des Klosters San Michele della Chiusa Zuflucht gesucht. Es war ihm nicht angebracht erschienen, noch länger in jenen Mauern zu verweilen: Sollte Viviën de Narbonne seinen eigenen Tod vorgetäuscht haben, hatte er gewiss gute Gründe dafür gehabt.
»Wir haben nach einem Mönch und einem Buch gesucht und stattdessen eine verschlüsselte Botschaft gefunden.«
Uberto sah seine Gefährten, die mit ihm an einem schäbigen Holztisch saßen, fragend an. Sein Gesicht war von Erschöpfung und Sorge gezeichnet.
»Diese Sache ist wirklich unglaublich.«
»Vielleicht fühlte sich Viviën de Narbonne bedroht«, mutmaßte Willalme, »und er ist geflohen.«
»Wegen eines Buches? Kommt dir das nicht etwas übertrieben vor?«
»Wie ich schon sagte«, sagte der Händler, »gewisse Bücher können sich als sehr gefährlich erweisen.«
Uberto sah ihn misstrauisch an. »Glaubst du, dass Viviën bedroht wurde?«
Ignazio wich seinem Blick aus und tat so, als beobachte er den Wirt, der zwischen den Tischen umherging. »Das kann ich nicht sagen, doch ganz sicher handelt er sehr bedacht. Er ist geflohen, um sich und das ›Uter ventorum‹ zu verbergen – und er will, dass wir ihm folgen.«
Er stützte seinen Ellbogen so fest auf den Tisch, dass dessen Platte unter dem Druck ächzte.
»Er muss doch geahnt haben, dass noch andere an dem Buch interessiert sind, und das hat ihm Angst gemacht. Vielleicht gehört der schwarz gekleidete Mann dazu, der uns in Venedig beobachtet hat.«
Diese Worte hallten Unheil verkündend durch den Raum, und keiner wusste dem etwas entgegenzusetzen. Die drei sahen sich an, es entstand eine bedrückende Stille.
»Wir müssen die Botschaft auf dem Kreuz entschlüsseln«, erinnerte Willalme sie.
»Darum kümmern wir uns später«, sagte der Händler. »Erst essen wir etwas. Wir müssen wieder zu Kräften kommen.«
Inzwischen standen ein Hirschbraten und ein Krug mit Honigwein auf dem Tisch.
Eine Stunde später war niemand mehr im Gastraum der Taverne außer dem Wirt und ein paar Schankburschen, die geschäftig hin und her eilten. Man hörte nichts als das Knacken der Holzscheite im Kamin, das Rauschen der Zweige draußen vor dem Haus und heulende Tierrufe ganz in der Nähe.
Nach dem Essen bat Ignazio einen Bediensteten, den Tisch abzuräumen und ihnen einen Kerzenleuchter zu bringen, da das Licht der Fackeln an den Wänden immer schwächer wurde.
Als die drei Gefährten wieder allein waren, suchte
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