Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)
versteckt ist.«
»So scheint es.« Ignazio ließ sich gegen die Rückenlehne seines Holzstuhls sinken. »Nun brauchen wir nur noch dort nachzusehen.«
»Und die übrigen Teile des Rätsels?«, fragte Willalme.
»Eins nach dem anderen«, bedeutete ihm Ignazio. »Außerdem habe ich den Verdacht, dass die Botschaft noch mehr Geheimnisse birgt.«
33
Es war tief in der Nacht, als ein Mann das Tal der Dora Riparia hinabritt und durch die Schatten des Unterholzes glitt, bis er eine befestigte mansio erreichte. Er betrachtete das aus Stein und Holz errichtete Gebäude, über dem sich zwei Türme erhoben. An ihnen prangte das Wappen der Ritter vom Heiligen Grab zu Jerusalem, ein großes, von vier kleineren umgebenes rotes Kreuz.
Hier würde Slawnik Unterstützung finden, denn einige Bewohner dieses Ortes waren insgeheim Abgesandte der Heiligen Vehme und getreue Anhänger von Dominus. Von dieser Aussicht ermutigt, näherte er sich dem Eingangstor der äußeren Palisade und den drei Wachen, die davor um ein Feuer saßen.
Einer der Männer erhob sich widerwillig und ging ihm entgegen. Er trug einen konischen Helm mit einem Nasenschutz, einen weißen ärmellosen Mantel, der bis zu seinen Füßen reichte, und eine Lanze, deren Spitze wie ein Weidenblatt geformt war.
»Wer seid Ihr?«, fragte er.
Slawnik schlug die Kapuze zurück und enthüllte sein leichenblasses Gesicht. »Ich erbitte Zuflucht für eine Nacht. Mir wurde gesagt, dass Ihr hier Pilger aufnehmt.«
»So ist es in der Tat.« Der Soldat musterte die fiebrig glänzenden Augen des Fremden. Er zögerte einen Augenblick, dann fuhr er fort: »Euch geht es nicht gut … Seid Ihr verletzt?«
»Ich muss mich nur ein wenig ausruhen«, stieß Slawnik hervor und atmete tief durch, um gegen seine völlige Erschöpfung anzukämpfen.
Der Soldat beobachtete ihn weiter aufmerksam. Das war kein einfacher Pilger, aber auch kein Mann der Kirche. Vielleicht ein Söldner auf dem Weg ins Languedoc, wo er sich dem Kreuzzug gegen die Albigenser anschließen wollte. In der letzten Zeit waren einige von ihnen hier vorbeigekommen.
»Steigt ab, Messere«, forderte er ihn wie üblich auf.
Der Fremde stieg schwankend aus dem Sattel, doch seine Knie trugen ihn nicht mehr, sodass er kraftlos ins Gras sank. Sein Pferd wieherte laut, als wäre es froh, endlich seiner Last ledig zu sein.
Der Soldat, der zunächst glaubte, der Unbekannte wäre tot, beugte sich über ihn und betrachtete das bleiche, schweißbedeckte Gesicht. Der Mann lebte noch, aber er glühte vor Fieber. Der Soldat tastete mit der Hand den Brustkorb ab, und als er sie zurückzog, war sie voller Blut. Da erst bemerkte er den Riss im Lederwams und einen abgebrochenen hölzernen Stab, der aus dem Fleisch ragte.
»Er ist verletzt!«, rief er seinen Genossen zu.
»Wer ist das?«, fragten sie zurück, ohne sich zu erheben.
»Um Gottes willen, beeilt euch! Ihm steckt eine Pfeilspitze in der Brust!«
DRITTER TEIL
TEMELS ZEICHEN
»Wisse, dass der Mond der Botschafter der Sterne ist, denn er trägt ihre Tugenden von einem Himmelskörper zum anderen.«
Abu Ma’schar, »Libri mysteriorum«, II , 202
34
Mütterliche Finger auf seiner Stirn. Angenehme Gerüche. Ein leises Wiegenlied …
Slawnik erwachte aus tiefem Schlaf. Er lag auf einem Bett in einem kleinen Raum mit holzgetäfelten Wänden. Die Laken dufteten wie die Blumen, die so üppig in den böhmischen Wäldern blühten.
Während die Erinnerungen und das Lächeln seiner Mutter seinen Kopf noch erfüllten, setzte er sich auf und schwang die Beine über den Rand des Bettes. Unvermittelt fuhr ein schmerzvoller Stich durch seine Brust, und seine Erinnerungen verschwanden wie ein Schwarm Schmetterlinge, der vom Wind zerstreut wurde.
Er tastete mit einer Hand nach der Wunde und bemerkte, dass man sie verbunden hatte.
Wer hatte sich seiner angenommen? Und wer hatte ihn auf dieses Lager gelegt?
Während er versuchte, seine Gedanken zu ordnen, kehrten die Erinnerungen an die Geschehnisse in San Michele della Chiusa zurück. Das Stück aus dem Grabkreuz von Viviën de Narbonne hatte ihm das Leben gerettet, weil es den Pfeil aufgehalten hatte. Ein wahres Wunder.
Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass sein Oberkörper nackt war. Wo war dieses Holzstück geblieben?
Slawnik stand auf und suchte das Zimmer ab. Einen Moment lang packte ihn die Verzweiflung, doch dann sah er, dass seine Kleidungsstücke ordentlich zusammengefaltet auf einem Stuhl lagen. Dann ließ er den
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