Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)
Ihr?«
Ignazio gab ihm keine Antwort. Etwas an den Worten des alten Mannes erschien ihm seltsam. Er spürte nicht nur Zurückhaltung darin, sondern auch Angst. Dieser Mönch verheimlichte etwas vor ihm.
»Ehrwürdiger Vater«, sagte er und überlegte rasch. »Erinnert Ihr Euch, wo er gewohnt hat? Wo war er untergebracht? Wenn es nicht zu viel Mühe macht, würde ich den Raum gern aufsuchen.«
Geraldo verschränkte die Arme vor der Brust. »Die Mönchszellen sind für Pilger nicht zugänglich.«
»Verzeiht«, beharrte Ignazio. »Viviën besaß ein Buch, das er mir zugedacht hat, und ich würde es gerne an mich nehmen, um es in Erinnerung an ihn zu bewahren. Ich appelliere an die Gastfreundschaft der Benediktiner … Selbstverständlich werde ich den Gefallen, den Ihr mir damit erweist, mit einer Spende belohnen.«
Um seine Worte zu bekräftigen, griff er in seine Tasche und ließ die Münzen in seinem Geldbeutel einladend klingen.
Der Mönch vergrub die Hände in seinem struppigen weißen Bart. »Soweit ich mich erinnere, hat Viviën nichts dergleichen hinterlassen, doch wenn Ihr darauf besteht, können wir es versuchen. Vielleicht trügt mich ja die Erinnerung.« Er seufzte ergeben. »Kommt, folgt mir zu den Zellen meiner Brüder. Doch seid leise, stört die Andacht der Mönche nicht.«
Geraldo führte sie am Kreuzgang vorbei und lenkte seine Schritte auf ein großes Gebäude auf der Rückseite der Klosterkirche zu. Dort durchquerten sie ein Labyrinth aus kaum beleuchteten Fluren. Obwohl die Luft draußen kühl und erfrischend war, wirkte sie hier abgestanden, und es roch beklemmend nach Weihrauch und Kerzenwachs.
Durch die geschlossenen Türen hörten sie Schritte, lautes Gähnen und leise Gespräche. Doch über all dem lag eine beängstigende Stille, ein seltsames Gefühl von Leere. Uberto erschauerte. Als Willalme es bemerkte, gab er ihm einen ermunternden Klaps auf die Wange.
»Wir sind da.« Geraldo öffnete eine Tür. »Das war Viviëns Zelle, doch jetzt wohnt hier niemand mehr. Es gibt abergläubische Gerüchte …« Der alte Mann lächelte verlegen. »Mönche sind noch leichter zu schrecken als Kinder.«
Sie betraten den engen, schmucklosen Raum, der nichts weiter als ein Lager und einen staubbedeckten Schrank enthielt. Ignazio ging auf ihn zu, öffnete die Türen und untersuchte den Inhalt. Ein ausgetrocknetes Tintenfass, eine Öllampe mit einem angesengten Leinendocht, einige Manuskripte, ein Psalmenbuch und ein Paar abgenutzte Schuhe.
Im untersten Regal lag ein Buch. Hoffnungsvoll hob Ignazio es auf und blätterte darin. Es war auf Arabisch verfasst. Er las ein paar Worte, überprüfte den Titel auf der Vorderseite, dann warf er es enttäuscht in den Schrank zurück.
»Das ist nicht das Buch, das ich suche«, sagte er. »Dies ist das ›Liber scalarum‹.«
»Und was ist das ›Liber scalarum‹?«, fragte Uberto und kam damit Geraldo zuvor.
»Es handelt von einer Reise, die der Prophet Mohammed unter der Führung des Erzengels Gabriel antrat«, erwiderte Ignazio. »Laut diesem Buch hat der Prophet die Hölle und die himmlischen Sphären besucht. Leider ist das, wie ich bereits gesagt habe, nicht das Buch, nach dem wir suchen.«
Der Mönch verzog ungläubig das Gesicht. »Ich hätte nie gedacht, dass Viviën sich mit solchen Büchern beschäftigte.«
Und das war noch gar nichts, hätte ihm Ignazio am liebsten entgegnet. Doch er hielt sich zurück und sah sich weiter um auf der Suche nach irgendwelchen Hinweisen. Inzwischen wusste er, dass sich das »Uter Ventorum« nicht mehr hier befand, sollte es überhaupt je in diesem Raum gewesen sein.
Plötzlich fiel ihm ein kleines Heiligenbild auf einer Holztafel auf, das an der Wand über dem Lager hing. Es stellte in byzantinischem Stil eine hundeköpfige Gestalt mit zum Gebet gefalteten Händen dar, die eine Mönchstracht der Ostkirche trug.
»Ich kann mich nicht erinnern, diese Ikone hier je gesehen zu haben«, erklärte Geraldo, als er begriffen hatte, was der Händler betrachtete.
»Sie stellt den heiligen Christophorus dar, den Schutzpatron der Pilger«, sagte Ignazio.
»Wie seltsam«, meinte Uberto. »Warum hat er einen Hundekopf?«
»Das rührt vermutlich von der Legende her, Christophorus sei ein Menschenfresser gewesen, bevor er sich zum Christentum bekannte. In Ägypten wird er mit Anubis, dem Totengott, gleichgestellt.« Ignazio dachte kurz über seine Worte nach und ahnte schon, dass dieser Christophorus oder Anubis mehr bedeuten
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