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Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)

Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)

Titel: Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcello Simoni
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konnte, als es auf den ersten Blick erschien. Vielleicht war es ein Hinweis, den jemand eigens hinterlassen hatte. Er ging auf das Bild zu und nahm es herunter, um es sich genauer anzusehen.
    Dabei bemerkte er auf der Rückseite einen Satz auf Lateinisch.
    LEGITE IN MEO SEPVLCRO QVOD SCRIPSI IN VITA MEA
    Ignazio gestattete sich ein triumphierendes Lächeln und übersetzte: »Lest auf meinem Grab, was ich in meinem Leben geschrieben habe.« Doch gleich darauf wurde sein Gesicht wieder ausdruckslos. »Pater Geraldo«, sagte er. »Ich muss Euch um einen letzten Gefallen bitten. Bringt mich zur Grabstätte von Viviën de Narbonne.«
    Das konnte ihm der Mönch nun nicht mehr verweigern.
    Gefolgt von Uberto und Willalme verließen Geraldo und Ignazio das Dormitorium und begaben sich zu einem großen freien Platz, der rundum von Mauern eingefasst war.
    »Dies ist der Friedhof der Mönche«, erklärte Geraldo und zeigte auf eine Reihe von in die Erde eingelassenen Steinen. Nachdem er sich hastig bekreuzigt hatte, durchquerte er diesen menschenleeren Ort, bis er vor einem Holzkreuz stehen blieb. »Das ist das Grab von Viviën de Narbonne«, sagte er. »Doch sein Leichnam ruht hier nicht. Nach dem Sturz in den Abgrund ist er nie gefunden worden. Betet für ihn, wenn Ihr wollt. Ich werde am Eingang auf Euch warten.«
    Geraldo verabschiedete sich von den drei Fremden und verließ mit gefalteten Händen das Grab. Er hatte genug von dieser seltsamen Geschichte.
    »Was tun wir hier?« Willalme betrachtete den Händler aufmerksam. »Was suchst du bei den Toten?«
    Ignazio verlor keine Zeit damit, ihm zu antworten, und untersuchte jede Stelle des Grabkreuzes. Auf der Vorderseite war nur der Name des Verstorbenen eingeritzt. Er ging um das Kreuz herum und beugte sich wieder darüber. Plötzlich riss er die Augen weit auf.
    »Na also, ich wusste es doch!«, triumphierte er. »Viviën ist nicht tot, er hat einen verschlüsselten Hinweis hinterlassen. Dieser Teufelsmönch!«
    Auf der Oberfläche aus Holz waren zwei Worte eingeritzt: » VTER VENTORVM «. Unter der Inschrift sah man eine recht grobe Skizze, in deren Mitte ein Mann mit einem dicken Schlauch abgebildet war, um ihn herum vier Engel, die in seine Richtung bliesen. Der Wind, der aus ihren Mündern entwich, war durch gekrümmte, recht und schlecht eingeritzte Linien dargestellt, die zum Schlauch hin zusammenliefen.
    »Das sieht aus wie eine Abbildung der vier Winde, die aus den vier Himmelsrichtungen wehen«, bemerkte Uberto.
    »Ich glaube jedoch, dass es die ›himmlischen Wesen‹ der Mager sind, die ich schon erwähnt habe«, sagte Ignazio geheimnisvoll. »Jetzt sieh ein bisschen weiter nach unten.«
    Unter der Zeichnung war scheinbar ohne Sinn eine ganze Menge Buchstaben eingeritzt.

    »Was ist das?«, fragte der Junge.
    »Ein Kryptogramm. Es muss entschlüsselt werden, doch dafür haben wir jetzt keine Zeit. Rasch, schreib es ab und mach ja keinen Fehler.«
    Uberto gehorchte. Er holte sein Diptychon hervor und fing an zu kopieren. Er war zwar neugierig, was die Buchstaben bedeuten mochten, doch das Abschreiben erforderte seine gesamte Konzentration und erlaubte ihm nicht, Vermutungen darüber anzustellen.
    Ignazio strich mit der Hand über die eingeritzten Buchstaben. »Dies wurde erst vor Kurzem eingeschnitten, höchstens vor einem Jahr«, sagte er an Willalme gewandt. »Das erkennt man an den Schnittlinien, sie sind noch nicht verwittert wie der Namenszug auf der Vorderseite. Vermutlich hat sie bislang niemand bemerkt.« Sein Blick konzentrierte sich auf die scheinbar sinnlos aneinandergereihten Buchstaben des Kryptogramms.
    Uberto schloss das Diptychon und verstaute es wieder in seinem Beutel. »Fertig. Ich habe alles abgeschrieben.«
    »Gut. Gehen wir.« Ignazio warf noch einen letzten Blick auf das leere Grab. »Ich weiß nicht, woran es liegt, aber ich fühle mich nicht sicher in diesen Mauern.«

31
    Kaum eine Stunde später erschien ein Fremder bei Pater Geraldo da Pinerolo. Der alte Mann hatte gerade die tägliche Kontrolle der Vorräte beendet und gönnte sich eine kurze Ruhepause in der Sonne vor dem Kloster.
    » Dilectissime patre , verzeiht mir«, begann der Unbekannte. Bei seiner knappen Verbeugung legte er eine gewisse Steifheit in den Bewegungen an den Tag.
    »Sprecht nur, mein Sohn«, forderte Geraldo ihn auf und musterte die in einen schwarzen Umhang gehüllte Gestalt, deren Gesicht unter der Kapuze bloß vage zu erkennen war. Auf den ersten Blick hielt er

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