Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)
Lazarus konnte Dodiko natürlich nicht enthüllen, dass es ihm gelungen war, in Toulouse zu bleiben, weil er insgeheim die Bewegung der Katharer unterstützte und sich so deren Wohlwollen verschafft hatte. Außerdem musste man sich wohl eher fragen, wie Dodiko, ein treuer Diener der Kirche, der aufseiten Montforts stand, sich unbehelligt in den Mauern von Toulouse bewegen konnte.
»Ich weiß nicht mehr genau, worüber wir sprechen wollten«, log er. »Ach ja, richtig … Es ging um diesen Händler … Ignazio da Toledo hieß er, wenn ich mich nicht irre.«
»Genau.« Dodiko verschränkte die Arme vor der Brust und ließ damit die Achselschilde sehen, die seine Schultern bedeckten. »Anscheinend eint uns das Interesse an diesem Mann aus Toledo.«
»Ihr trefft es genau, mein Sohn«, erwiderte der Dominikaner.
Der Mann vor ihm war ein weiteres Geheimnis, eines von vielen, das ihn mit Ignazio da Toledo oder vielleicht auch mit dem »Uter Ventorum« verband. Er wusste kaum etwas über ihn, doch das wenige genügte, um zu begreifen, dass er eine wichtige Figur auf seinem Schachbrett war, die er nun endlich nach seinem Belieben bewegen konnte. Aus diesem Grund reichte er ihm mit einem boshaften Lächeln den Brief Rainerio da San Donninos, den er die ganze Zeit in seinen Finger gewendet hatte.
»Ich habe kürzlich einige Neuigkeiten über unseren Ignazio erhalten. Lest erst einmal, bevor wir reden …«
Nachdem Graf Dodiko den Brief gründlich studiert hatte, legte er ihn auf den Tisch. Sein Gesicht wirkte eine Spur misstrauisch, doch es verriet nur einen winzigen Teil seines inneren Aufruhrs. Es gab wohl nur eines, was er noch besser konnte, als sich zu verstellen, und das war kämpfen.
Doch er ahnte schon, dass er bei Scipio Lazarus beide Talente einsetzen musste.
»Ich hätte nicht gedacht, dass Ignazio da Toledo solcher Grausamkeiten fähig wäre«, sagte er und wies auf den Brief vor sich. »Und wie ich den Zeilen hier entnehmen muss, reist er auch noch in Begleitung eines mutmaßlichen Katharers namens Willalme de Béziers.«
Scipio Lazarus, der an seinem Schreibpult im dunkelsten Winkel des Skriptoriums saß, nickte stumm. Dodiko musterte ihn kurz und betrachtete aufmerksam die tiefen Narben, die das Gesicht des Dominikaners entstellten. Beim Eintreten hatte er das Gefühl gehabt, dem Mann schon einmal begegnet zu sein, doch in diesem Moment verschwand dieses Gefühl wieder. Solche Narben hatte er noch nie gesehen … Und bestimmt hätte er sie nie an einem Mönch erwartet.
Scipio Lazarus schien das Misstrauen Dodikos zu ahnen. Er legte eine Hand vors Gesicht und zog mit der anderen die Kapuze tiefer herab, um seine Züge zu verbergen, dann sagte er: »Ignazio da Toledo ist gefährlicher, als es den Anschein hat. Warum interessiert Ihr Euch so sehr für ihn?«
»Nicht so sehr für seine Person als vielmehr dafür, dass ihm nichts geschieht«, erklärte Dodiko. »Er ist im Besitz wertvoller Informationen.«
Der Dominikanermönch sah ihn überrascht an, ohne die Hand vom Gesicht zu nehmen. »Informationen?«, wiederholte er. »Welcher Art?«
»Wenn ich Euch gewisse Einzelheiten verriete, könnte ich Euch in Gefahr bringen, ehrwürdiger Pater«, erwiderte Dodiko hastig. Er traute Scipio Lazarus nicht, der schwer zu durchschauen war und mehr wissen wollte, als er selbst preisgab.
»Kann ich wenigstens erfahren, in wessen Auftrag Ihr handelt oder zu welchem Zweck?«
»Ich habe geschworen, über meinen Auftraggeber und den Zweck Stillschweigen zu bewahren. Ich kann Euch nur sagen, dass ich Ignazio da Toledo finden muss, ehe ihm etwas zustößt.«
»Etwas zustößt?«
»Ich habe Grund zu der Annahme, dass ihm jemand nach dem Leben trachtet. Deshalb, das begreift Ihr sicherlich, benötige ich jede Information, um diese Gefahr zu bannen.«
»Selbstverständlich, Graf.« Auf dem Gesicht des Dominikanermönchs breitete sich ein grimmiges Lächeln aus. »Deshalb fragt Ihr Euch, wohin er unterwegs ist und aus welchem Grund …«
»Euch entgeht wirklich nichts, Pater.«
39
Ignazio und seine Begleiter fanden Unterkunft am anderen Ufer der Garonne, in der Gascogne oder Vasconia , wie die Gegend auch noch oft genannt wurde. Sie hatten das Gasthaus an der steinigen Straße nach Spanien mühelos gefunden. Nachdem sie sich in ihrem Zimmer fern von neugierigen Blicken eingerichtet hatten, setzten sich die drei an einen Tisch aus Eichenholz und besprachen das weitere Vorgehen.
Uberto ergriff als Erster das Wort.
Weitere Kostenlose Bücher