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Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)

Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)

Titel: Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcello Simoni
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Ausgang des Geheimgangs fand er sich in einem Steineichenhain wieder.
    Gierig sog er die kühle Nachtluft ein und sah über die undurchdringliche Macchia hinweg. Er befand sich an der Ostseite der Stadt, ganz nahe an den äußeren Befestigungen. Wie verabredet wartete dort schon ein an einen Baum angebundenes Pferd auf ihn. Er sprang auf und umrundete die Mauern im Trab.
    Aus den nahen Gräben stieg der Geruch des Todes auf. Im Laufe der Belagerung hatten sich dort die Leichen zahlreicher Soldaten angesammelt, und ihr Verwesungsgestank mischte sich mit dem Duft der feuchten Nachtluft. Weitere Tote übersäten den grünen Grasteppich. Tiefe Wunden, Verbrennungen und zerbrochene Lanzen schändeten ihre Leiber.
    Inmitten dieser düsteren Szenerie arbeitete sich eine Gruppe Totengräber durch blutverschmierte Körper und Rüstungen. Dominus achtete nicht auf sie und überquerte das Schlachtfeld leise wie ein Schatten, doch einer der Männer merkte auf und näherte sich ihm misstrauisch.
    »Bleibt stehen, Messere, wer seid Ihr?« Es handelte sich um einen Söldner der Kreuzritter, einen heruntergekommenen Fußsoldaten aus der Gascogne. Er trug ein eisenbeschlagenes Lederwams, einen kegelförmigen verrosteten Schaller und einen ovalen Schild, der auf der Vorderseite mit einem gelb-roten Muster bemalt war.
    »Musst du mich das wirklich fragen, Soldat?«, erwiderte Dominus und gab sich entrüstet. »Siehst du nicht das Kreuz auf meiner Brust? Ich diene genau wie du der Kirche. Lass mich vorbei.«
    Der Gascogner wich zurück und verneigte sich. »Verzeiht meine törichte Frage.« Mit diesen Worten trat er beiseite, um den Weg frei zu machen. Ohne ein Wort ritt Dominus an dem Mann vorbei und tat so, als wollte er zum Lager der Kreuzritter reiten, doch als er sich ausreichend weit entfernt hatte, lenkte er sein Pferd nach Westen.

41
    Ignazio und seine Reisegefährten benötigten eine Woche, um nach Puente la Reina zu gelangen. Nachdem sie Toulouse hinter sich gelassen hatten, waren sie zu Pferd weiter der steinigen Straße nach Spanien gefolgt. Der Weg war einfach zu finden, da er von Grenzsteinen und Schildern mit dem Symbol der Muschel ausgewiesen war.
    Diese Zeichen, so erklärte Ignazio, geleiteten die Pilger den ganzen Jakobsweg bis nach Compostela. Scharen von Wallfahrern machten sich aus den französischen Städten Tours, Vézelay, Le Puy und Arles dorthin auf.
    »Warum ausgerechnet eine Muschel?«, fragte Uberto.
    »Der Ursprung liegt in einer Legende«, antwortete Ignazio. »Ein Ritter soll den Leichnam des Apostels Jakobus auf dem Rücken seines Pferdes durch das Meer nach Compostela gebracht haben. Auf wundersame Weise war der Reiter ganz mit Muscheln bedeckt, als er aus dem Wasser kam. Und seitdem ist die Muschel das Zeichen des heiligen Jakobus. Fast jeder Pilger, der nach Compostela kommt, sammelt mindestens eine als Erinnerung an seine Wallfahrt. Genau wie ich.«
    Ignazio erklärte weiter, dass beinahe alle Wege nach Compostela auf dem Pass von Roncesvalles zusammenliefen, im baskischen Gebiet der Waskonen. Doch von Toulouse aus gab es auch die Möglichkeit, die Pyrenäen weiter südlich, auf dem Somport-Pass, zu überqueren und in Richtung der aragonesischen Stadt Jaca ins Tal hinunterzusteigen. Von dort führte ein bequemer Weg nach Puente la Reina.
    Die Überquerung der Pyrenäen war nicht weiter schwierig, aber Uberto hatte dabei festgestellt, dass die französische Seite des Gebirges rauer war als die spanische. Schon bald wichen die ausgedehnten kargen Kiefernwälder einer üppigen Vegetation. Im Tal sah es wieder anders aus, hier öffnete sich eine Hochebene mit Feldern, die von staubigen Straßen durchteilt wurden. Der Blick schweifte über grünbraune Flächen, die von Pflug und Ochsengespannen urbar gemacht und von der gleißenden Sonne verbrannt wurden.
    Die drei Gefährten reisten zügig weiter. Sie ließen Pamplona hinter sich, ohne sich die Stadt anzusehen, und nach einem langen Marsch erreichten sie schließlich den Fluss Arga, ein schmales Rinnsal, kaum mehr als eine blaue Kurve in den Falten der Erde. Auf der anderen Seite lag hinter einem Dunstschleier verborgen eine Stadt, die man über eine lange, sechsbogige Steinbrücke erreichte: Puente la Reina, vorerst das Ziel ihrer Reise.
    Zahlreiche Pilger drängten sich auf Weg und Brücke der Stadt zu: Zum größten Teil gingen sie zu Fuß, nur einige wenige Glücklichere ritten auf Maultieren oder Pferden, andere lenkten Fuhrwerke mit jeder Art von

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