Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)
bahnte sich eine Gruppe Frauen ihren Weg durch die toten Kämpfer und schaffte es, ein auf den Wällen postiertes Katapult zu laden und abzufeuern. Mit einem metallischen Ruck schnellte das Gerät hoch und schleuderte einen großen Stein auf die Reihen der Kreuzritter. Das Geschoss wirbelte durch die Luft und beschrieb einen langen Bogen, bevor es pfeifend nach unten sauste und Montfort am Kopf traf.
Der Graf schwankte und stürzte zu Boden.
Die Kreuzritter waren vor Entsetzen wie gelähmt. Ohne Befehl von oben schienen sie nicht einmal fluchen zu können. Die Kriegsherren sammelten sich sofort um den Gefallenen und nahmen ihm Helm und die Kettenhaube ab. Kurz darauf ertönte der Schrei eines Soldaten:
»Er ist tot! Der Graf de Montfort ist tot!«
Die Klagerufe der Kreuzritter drangen bis über die Stadtmauern von Toulouse, wo sie sogleich von dem Jubelgeschrei übertönt wurden, das sich in der gesamten Stadt erhob. Es war der 25. Juni im Jahr des Herrn 1218.
Willalme kostete diesen Moment aus. Er hatte soeben dem Tod eines der Männer beiwohnen dürfen, die seine Familie ausgelöscht hatten, eine unerwartete Freude. Er wünschte Montfort, er möge so schnell wie möglich zur Hölle fahren und dort in alle Ewigkeit für die begangenen Gräuel leiden. Er war sich nicht sicher, ob es ein Paradies gab, aber an die Hölle glaubte er aus tiefstem Herzen.
»Toulouse hat gesiegt. Jetzt werden die Kreuzritter abziehen«, sagte Uberto schließlich, als er sah, wie die Soldaten des Kreuzes den ungeordneten Rückzug in ihre Lager antraten.
»Nicht so voreilig, Junge. Schau dort.« Sichtlich betrübt zeigte der Händler auf eine Gruppe Ritter, die herangaloppierte. Sie trugen das Banner des Königs von Frankreich. »Da kommt schon Verstärkung. Toulouse ist zu wohlhabend, als dass man so leicht auf diese Stadt verzichten könnte. Diese Angelegenheit wird sich noch lange hinziehen. Wochen, vielleicht sogar Monate.«
»Was sollen wir also deiner Meinung nach tun?«, fragte Uberto und strich nervös über die Mähne seine Pferdes.
»Wir könnten bei Nacht heimlich in die Stadt eindringen«, schlug Willalme vor.
»Und Gefahr laufen, für Spione der Kreuzfahrer gehalten zu werden? Das ist nicht besonders klug. Ich würde das im Augenblick lieber umgehen.«
»Und was bedeutet das?«
»Toulouse ist nicht der einzige Ort auf unserem Weg. Viviën de Narbonne hat in seinem Kryptogramm noch drei andere Stätten genannt. Solange die Belagerung andauert, werden wir anderswo suchen.«
Uberto nickte. »Wir müssen den Rest der Botschaft entschlüsseln.«
Der Händler gab seinem Pferd die Sporen. »Suchen wir uns einen sicheren Ort, wo wir in Ruhe nachdenken können. Hier oben ist es zu gefährlich.«
Bevor Uberto ihm folgte, warf er noch einen letzten Blick ins Tal. Die Kreuzritter sammelten sich bereits zum nächsten Angriff.
38
Vor den Stadtmauern von Toulouse tobte eine erbitterte Schlacht, doch von den lauten Schreien und dem Klirren der Waffen war im Kloster Saint-Romain nichts zu hören. Geschützt vom mächtigen Gewölbe im Skriptorium der Dominikaner saß Bruder Scipio Lazarus ruhig an seinem Schreibpult und kümmerte sich nicht um die Geschehnisse, die sich in nächster Nähe abspielten.
Er sann über das »Uter Ventorum« nach. Dachte daran, wie viele Opfer er in all den Jahren gebracht hatte, um in dessen Besitz zu gelangen. Er hatte sich sogar den Predigermönchen unter Bruder Dominicus de Guzmàn angeschlossen, um unbehelligt und unbeargwöhnt zwischen Rom, Bologna und Toulouse agieren zu können. Alles nur, um sein Ziel zu erreichen.
Bruder Dominicus war ein recht seltsamer Mensch, dachte Scipio Lazarus. Obwohl ihn Tugenden wie Demut und Hingabe leiteten, hielt er sich doch von der spirituellen Gruppierung der Franziskanermönche fern. Scipio Lazarus war dem Mann jahrelang gefolgt und hatte immer geglaubt, dadurch über jeden Verdacht erhaben zu sein. Doch manchmal fürchtete er nun, dass es ihm nicht gelungen war, ihn zu täuschen. Und Scipio Lazarus konnte es sich nicht leisten, dass etwas über ihn bekannt wurde. Sein Geheimnis durfte er niemandem, nicht einmal Bruder Dominicus, enthüllen. Besonders jetzt, da sein über lange Jahre betriebenes Intrigenspiel endlich Früchte zu tragen schienen. Es fehlte nicht mehr viel, und der Plan würde aufgehen! Doch selbst wenn Bruder Dominicus Verdacht geschöpft hätte, konnte er ihm keine Steine in den Weg legen, da er gerade in Rom weilte.
Scipio Lazarus hatte
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