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Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)

Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)

Titel: Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcello Simoni
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überrascht. Als er mitansehen musste, wie der Mann, der ihm und seinen beiden Gefährten beigestanden hatte, mit dem Messer bedroht wurde, wollte er ihm zu Hilfe eilen, aber Willalme ahnte, was er vorhatte, und hielt ihn auf.
    Der Graf versuchte, sich zu befreien, doch der Händler war stärker, als es den Anschein hatte. Er hielt ihn unbeirrt fest; seine Augen starrten ihn eiskalt und durchdringend an und verlangten nach Antwort.
    Dodiko senkte den Blick und entschied sich zu reden. »Ich habe Euch nicht belogen«, sagte er. »Ich bin auf Wunsch von Pater Viviën hierhergekommen.«
    Ignazio sah ihn unverwandt an. »Woher kennt Ihr ihn?«
    »Ich gehörte der Heiligen Vehme an«, gestand der Graf, um dann zu verstummen. Doch als er spürte, wie sich der Druck des Messers an seiner Kehle verstärkte, fuhr er fort: »Ja, ich war einer von ihnen … früher einmal. Vor mehr als fünfzehn Jahren wurde ich beauftragt, Viviën de Narbonne zu verfolgen, um das ›Uter Ventorum‹ zu beschaffen.«
    Bei diesen Worten zuckte der Händler zusammen. Dodiko bemerkte es und verzog seine Lippen zu einem boshaften Grinsen. »Warum seht Ihr mich so an, Meister Ignazio? Wusstet Ihr etwa nicht, dass Viviën schon im Besitz des Buches war, als Ihr mit dem Erzbischof Geschäfte machtet?«
    Ignazio wandte den Blick von Dodiko, und auf einmal begriff er, dass Ereignisse sein Leben zerstört hatten, von denen er keine Ahnung gehabt hatte. In all den Jahren hatte die Heilige Vehme angenommen, dass er das Geheimnis des »Uter Ventorum« kannte, und ihn deshalb verfolgt. Doch damals wusste er noch nicht das Geringste darüber. Warum nur hatte Viviën ihm nichts gesagt und ihn einer so großen Gefahr ausgesetzt?
    Diese Frage führte ihn zurück in die Vergangenheit, als er vor fünfzehn Jahren mit Viviën bei der Kurie von Köln vorstellig geworden war. Ein düsterer Nachmittag Ende Oktober. Sie hatten eine Audienz bei Erzbischof Adolf erhalten, dem sie ein Behältnis mit Knochen und Asche zeigten: die Reliquien der Mager, die sie an den Ufern der Donau, in der Nähe des Schwarzen Meeres, geborgen hatten. Einer Legende aus dem Orient nach stammten sie aus der Schatzhöhle vom Gipfel des Bergs Nud, dem Sitz des irdischen Paradieses. Dorthin, so hieß es, hätten sich die zwölf Weisen zurückgezogen und gefastet und gebetet, bis sie starben.
    Der Erzbischof hatte die Reliquien untersucht und sich interessiert gezeigt, sie zu erwerben. Obwohl es in der Kathedrale von Köln bereits andere Reliquien der Weisen aus dem Morgenland gab, überlegte er, wie vorteilhaft es sein könnte, sich das Monopol auf diese sehr einträgliche Form der Heiligenverehrung zu sichern. Er hatte die Bezahlung auf den nächsten Tag verschoben und Ignazio und Viviën verabschiedet.
    Ignazio erinnerte sich nun an etwas, was ihm in all den Jahren nicht wichtig erschienen war. Als sie die Kurie schon verlassen hatten, hatte der Erzbischof Viviën noch einmal zu einem kurzen Gespräch zurückgerufen, während er selbst draußen gewartet hatte. Viviën hatte später erklärt, Adolf habe ihm weitere Fragen zu der Herkunft der Reliquien gestellt. Doch jetzt, Aug in Aug mit dem schweißüberströmten Grafen, vermutete Ignazio, dass es in der geheimen Unterredung um etwas ganz anderes gegangen war. Viviën musste mit Adolf über das »Uter Ventorum« gesprochen und ihm enthüllt haben, inwieweit es mit dem Wissen der Mager in Verbindung stand. So musste es gewesen sein, denn noch in derselben Nacht hatten sie die erste unliebsame Begegnung mit den Abgesandten der Heiligen Vehme gehabt.
    »Könntet Ihr bitte die Klinge von meiner Kehle nehmen?«, brummte der Graf und unterbrach damit Ignazios Überlegungen. »Ich werde auch so sprechen.«
    Ignazio kam seiner Bitte nach, noch ganz verwirrt von dem, was er gerade gehört hatte.
    »So ist es besser.« Dodiko massierte seinen Hals. »Hört mir jetzt genau zu, Meister Ignazio. Die Heilige Vehme hat begonnen, Euch zu verfolgen, weil Viviën schon damals das ›Uter Ventorum‹ besaß und man das Gleiche von Euch annahm. Daran besteht kein Zweifel. Anfangs hatte Viviën vor, dem Erzbischof das Buch zu verkaufen. Doch als die Heilige Vehme sein Vorhaben entdeckte, wollte sie das Buch für sich. Alles Übrige wisst Ihr.«
    »Leider nur zu gut.« Nachdem Ignazio seine übliche Gelassenheit wiedergewonnen hatte, verstaute er das Messer unter seinem Gewand. »Bis heute habe ich wegen eines Buchs, von dessen Existenz ich noch nicht einmal ahnte,

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