Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)
fern der Heimat gelebt. Erst vor zwei Monaten habe ich zum ersten Mal vom ›Uter Ventorum‹ gehört, das versichere ich Euch. Doch eines ist mir nicht recht klar. Soweit ich herausgefunden habe, ist der Erzbischof von Köln der Oberste Stuhlherr der Heiligen Vehme. Warum sollte er den Befehl geben, mich und Viviën zu verfolgen, wenn wir ihm das Buch bereits angeboten hatten?«
Graf Dodiko schien wie vor den Kopf geschlagen. »Kaum jemand weiß, wer der Oberste Stuhlherr ist.«
»In den letzten Jahren bin ich nicht nur vor meinen Verfolgern geflohen, sondern habe selbst Nachforschungen angestellt«, sagte Ignazio. »Doch Ihr habt meine Frage nicht beantwortet. Warum hat die Heilige Vehme uns verfolgt, obwohl wir das Buch doch dem Obersten Stuhlherrn angeboten hatten?«
»Die Lage ist nicht so einfach, wie Ihr denkt«, erwiderte Dodiko. »In den letzten Jahren haben ständige innere Auseinandersetzungen die Heilige Vehme geschwächt und sie in zahlreiche Fraktionen gespalten. Und obwohl der Erzbischof von Köln als Oberster Stuhlherr verehrt wird, besitzt er doch nicht genug Autorität, dass man ihm unbedingt gehorcht. Die untereinander zerstrittenen Parteien wissen genau um seine Schwäche und machen sich den Titel und die Vorherrschaft streitig.«
»Ich wette, zu ihnen gehört auch Dominus«, vermutete der Händler.
»Dominus«, so bestätigte der Graf, »ist einer der Ersten auf der Liste … Glaubt mir, Ihr und Viviën seid da in eine üble Sache hineingeraten.«
»Das beginne ich zu begreifen. Sollte es einem der Freigrafen gelingen, das ›Uter Ventorum‹ in seinen Besitz zu bringen, würde er damit genug Macht erwerben, um alle Fraktionen unter seinen Befehl zu zwingen und sich selbst zum Obersten Stuhlherrn der Heiligen Vehme auszurufen. Seine Macht wäre so groß, dass er das politische Gleichgewicht im Heiligen Römischen Reich und der übrigen Welt mitbestimmen würde. Ja, er könnte sogar Einfluss auf die römische Kurie nehmen …«
»Ihr versteht, worum es geht. Durch dieses Buch kann man die absolute Weisheit erlangen und damit die Macht über alles und jeden.«
»Und was habt Ihr mit dieser Angelegenheit zu tun, Graf?«, fragte Willalme auf einmal brüsk. »Seid Ihr etwa vom Geheimtribunal beauftragt worden, Viviën de Narbonne zu verfolgen?«
Dodiko war verärgert über die Einmischung des Franzosen und tat so, als hätte er ihn nicht gehört.
»Beantwortet die Frage meines Freundes«, befahl ihm jedoch der Händler drohend. »Hattet Ihr nicht gesagt, Ihr seid ein Verräter?«
»Genauso ist es«, gestand der Graf. »Ich habe die Erleuchteten in dem Moment verraten, als ich Viviën kennenlernte … Er erzählte mir alles über das Wesen des ›Uter Ventorum‹ und warum es verborgen bleiben muss. Wie Ihr schon erkannt habt, würde es der Heiligen Vehme eine so große Macht verleihen, dass sie damit den natürlichen Verlauf historischer Ereignisse beeinflussen könnte. Die Welt würde unter die Herrschaft eines grausamen Tyrannen geraten … Als Viviën mir das erklärte, verstand ich, wie notwendig es war, dies zu verhindern. Deshalb beschloss ich, meine Auftraggeber zu verraten und ihm zu helfen.«
»Sollte Viviën wirklich so hehre Absichten gehegt haben, warum hat er dann versucht, das Buch damals an den Erzbischof von Köln zu verkaufen und jetzt in neuerer Zeit an Conte Enrico Scalò?«, fragte Ignazio und musterte Dodiko genau, um jedes Anzeichen von Unehrlichkeit an ihm zu erkennen. »Ist das kein Widerspruch zu seinem eigentlichen Vorhaben?«
»Im ersten Fall war es wohl ein Versehen. Viviën war seinerzeit erst vor Kurzem in den Besitz des ›Uter Ventorum‹ gelangt und wollte es nur loswerden. In Erzbischof Adolf hatte er einen zahlungskräftigen Käufer erkannt, aber wie Ihr wisst, schlug der Versuch fehl. Bei Scalò diente das Buch nur als Köder. Durch ihn wollte er Euch aufspüren, zumindest vermute ich das.«
»Das vermutet Ihr? Seid Ihr Euch dessen nicht sicher?«
»Viviën ist schlau. Er verrät niemals bis in alle Einzelheiten, was er vorhat. Doch eins weiß ich genau: Er hätte das Buch nicht an Conte Scalò verkaufen können, selbst wenn er es gewollt hätte. Zu diesem Zeitpunkt hatte er es schon aufgeteilt und in Spanien versteckt.«
»Aber warum hat er das getan?«
»Wenn die Heilige Vehme ihn gefangen genommen hätte, wäre sie mit leeren Händen dagestanden«, antwortete Dodiko, als wolle er damit etwas Wichtiges enthüllen. »Doch nun ist es Zeit, das Buch
Weitere Kostenlose Bücher