Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)

Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)

Titel: Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcello Simoni
Vom Netzwerk:
gesagt? Warum behandelte Ignazio ihn so?
    Der Händler lief aufgeregt im Zimmer auf und ab, dann stellte er sich an ein Fenster. Willalme trat zu ihm und legte ihm eine Hand auf die Schulter.
    »Du solltest nicht so hart zu ihm sein. Er trägt keine Schuld«, sagte er.
    Ignazio machte eine unbestimmte Geste und senkte den Blick.
    Willalme setzte sich wieder, suchte sich einen Apfel in dem Obstkorb aus und warf dem unglücklichen Uberto einen tröstenden Blick zu.
    Der Händler versank lange in Schweigen, als würde er sein Gewissen erforschen, die Ellbogen auf das Fensterbrett gestützt und das Kinn auf die Fäuste, sein Blick ging ins Leere. Als er sich schließlich umdrehte, schien er sich zwar beruhigt zu haben, doch etwas schien ihn zu quälen. Er ging zu Uberto und legte ihm die Hand auf den Kopf.
    »Verzeih mir«, sagte er leise. »Das wollte ich nicht … Ich überlege unsere nächsten Schritte, und das beunruhigt mich. Wir können uns nicht erlauben, noch mehr Wagnisse einzugehen. Bis jetzt haben wir Glück gehabt.«
    Uberto beruhigte sich und überdachte, was Ignazio gesagt hatte. Dabei nahm er kaum wahr, dass der Händler weitersprach. Als er wieder zuhörte, erstarrte er, weil die Worte ihn so unerwartet trafen.
    »Ich werde morgen mit Willalme abreisen. Was dich angeht, Uberto, wirst du hier auf uns warten.«

68
    Ignazio glaubte, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Uberto auf dem Landgut zurückzulassen bedeutete, ihn in Sicherheit zu wissen, und ließ Willalme und ihm mehr Handlungsfreiheit. Er ahnte mittlerweile, was das Ziel des Angriffs der Heiligen Vehme in Sahagún gewesen war: Man wollte ihn nicht töten – zumindest nicht gleich –, sondern ihn schwächen, indem man Willalme umbrachte, und ihn dann dazu zwingen, den Erleuchteten bei der Suche nach dem »Uter Ventorum« zu helfen.
    Und während ihrer weiteren Bemühungen, die fehlenden Teile des Buches aufzutreiben, würden sich die Zusammenstöße mit Dominus bestimmt noch verschärfen.
    »Die Reise hat sich als gefährlicher herausgestellt als gedacht«, erklärte er Uberto jetzt. »Du bleibst hier und wartest auf uns. Bei Sibilla bist du in Sicherheit.«
    Willalme stand mit verschränkten Armen daneben und hörte schweigend zu.
    Uberto, der am Wohnzimmertisch saß, schlug traurig die Augen nieder. »Du wirst nicht zurückkehren.« Dann sah er wieder hoch, seine Augen glänzten feucht. »Du verlässt mich.«
    Ignazio runzelte die Stirn. Die Worte verletzten ihn. Er zog es vor, nichts zu erwidern, nahm sein kostbares Notizheft an sich und ging zur Tür, das Gesicht so hart wie das einer Bronzestatue. In der Tür blieb er noch einmal stehen und sagte, ohne sich umzudrehen: »Ich verlasse niemanden …«
    Es wirkte, als spräche er zu sich selbst.
    »Hast du das auch zu deiner Frau gesagt?«, begehrte Uberto auf. »Behandelst du so die Menschen, die dich lieben?«
    Bei diesen Worten fuhr Ignazio herum und richtete drohend den Zeigefinger auf den Jungen.
    »Schweig!«, stieß er aus. »Du weißt nicht das Geringste über mich. Wage es nur noch einmal, so zu reden, und …«
    Er beendete den Satz nicht.
    Uberto weinte.
    Dieser Anblick traf Ignazio tief, mehr noch als Ubertos Worte von vorhin. In ohnmächtiger Wut schlug er mit der Faust gegen die Tür und verließ den Raum.

69
    Am folgenden Morgen, es war noch ziemlich früh, hörte Uberto, wie jemand an die Tür seines Zimmers klopfte. Mühsam setzte er sich auf. Einen Moment lang musste er überlegen, wo er war und was am Tag davor geschehen war. Das passierte ihm in letzter Zeit häufig. Die ständigen Ortswechsel hatten seinen gewohnten, geordneten Alltag völlig durcheinandergebracht.
    Er dachte an Ignazios von Zorn verzerrtes Gesicht. So hatte er ihn noch nie gesehen, nicht einmal in den schwierigsten Situationen.
    »Herein«, sagte er schließlich, während er sich die Augen rieb.
    Die Tür öffnete sich. Es war Sibilla.
    Sie blieb zögernd auf der Schwelle stehen, als wollte sie nicht in den persönlichen Bereich des Jungen eindringen. Sie war dunkel gekleidet und hatte die Haare wie am Vortag hinten im Nacken zusammengefasst, in der Hand hielt sie einen Blumenstrauß. »Ignazio bricht gleich auf. Willst du mit mir kommen, um dich von ihm zu verabschieden?«
    »Lieber nicht.«
    »Bist du sicher? Das wird ihn bestimmt verletzen.«
    Uberto versuchte gar nicht erst, darauf etwas zu antworten. Er hatte sein Gesicht in den Händen vergraben und schwieg. Was wollte diese Frau von

Weitere Kostenlose Bücher