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Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Zweifeln
überwältigt, endlich aus ihrer gewohnten Verschlossenheit
heraustrat.
    Er war also dort? fragte sie ganz kurz.
    Ja, gnädige Frau.
    Also, was ist dort?
    Die Person hat ihn im Stiche gelassen und die Einrichtung
mitgenommen. Ich fand ihn zwischen den kahlen Wänden mit einer
Kerze in der Hand.
    Clotilde machte eine Gebärde der Verzweiflung. Sie begriff. Ein
Gefühl des Ekels und der Niedergeschlagenheit drückte sich in ihren
sonst so schönen Zügen aus. Nicht genug, daß sie ihren Vater
verlor, mußte dieses Unglück noch ihrem Manne einen Vorwand zu
einer Annäherung bieten, die sie so wenig wünschte. Sie kannte ihn
nur zu gut. Sie wußte, daß er ihr jetzt immer auf dem Nacken sitzen
werde, da ihn außerhalb des Hauses nichts mehr zurückhielt; und in
ihrem tiefen Pflichtgefühl zitterte sie bei dem Gedanken, diesen
verabscheuten Frohndienst leisten zu müssen. Sie sah einen
Augenblick auf den Flügel. Als ihr dann schwere Tränen in die Augen
traten, sagte sie einfach zu Octave:
    Ich danke, mein Herr.
    Dann gingen auch sie in das Zimmer des Herrn Vabre hinüber.
Duverdy hörte ganz blaß dem Doktor Juillerat zu, der ihm mit
halblauter Stimme Erklärungen machte. Es sei ein Schlagfluß. Der Kranke dürfe noch bis zum
folgenden Tag leben, aber es bestehe keine Hoffnung für sein
Aufkommen.
    Clotilde kam eben hinzu und hörte, wie der Arzt ihrem Vater das
Leben absprach. Sie sank auf einen Sessel und hielt das
tränendurchnäßte, plattgedrückte Taschentuch an die verweinten
Augen.
    Sie faßte sich indes so weit, um den Arzt fragen zu können, ob
ihr armer Vater wenigstens zur Besinnung kommen werde, was der Arzt
jedoch bezweifelte; wie wenn er verstanden habe, wo diese Frage
hinaus wolle, drückte er die Hoffnung aus, daß Herr Vabre seine
Angelegenheiten längst geordnet habe.
    Duverdy, dessen Geist in der Kirschstraße zu weilen schien, kam
jetzt erst zu sich. Er sah seine Frau an und antwortete dann, daß
Herr Vabre sich niemandem anvertraut habe, daß er also nichts
wisse. Er habe bloß Versprechungen zugunsten ihres Sohnes Gustav
gemacht, den sein Großvater oft vorzuziehen versprochen habe, als
Belohnung dafür, daß seine Eltern ihn gepflegt hätten. In jedem
Falle werde sich das Testament vorfinden, falls er eines gemacht
habe.
    Die Familie ist doch wohl benachrichtigt? sagte der Doktor
Juillerat.
    Ach Gott, nein! lispelte Clotilde. Der Schlag kam so
plötzlich … Mein erster Gedanke war, diesen Herrn um meinen
Mann zu schicken.
    Duverdy warf ihr wieder einen Blick zu. Jetzt verstanden sie
einander. Er näherte sich leise dem Bette, betrachtete Herrn Vabre,
der starr wie eine Leiche hingestreckt lag und dessen unbewegliche
Wangen schon mit gelben Flecken marmoriert waren.
    Es schlug ein Uhr nach Mitternacht. Der Doktor
wollte sich entfernen; er hatte es mit den
üblichen Ableitungsmitteln versucht und konnte vorderhand nichts
anderes unternehmen. Morgen werde er zeitig wiederkommen. Er ging
endlich mit Octave weg, als Frau Duverdy den letzteren
zurückrief.
    Wir warten bis zum Morgen, nicht wahr? sagte sie zu ihm. Sie
werden mir Berta unter irgendeinem Vorwande schicken; ich werde
auch Valerie herbestellen, und sie sollen dann meine Brüder
verständigen. Ach, die armen Leute! Mögen sie noch diese Nacht
ruhig schlafen. Es ist genug, wenn wir mit unserm Schmerze wach
bleiben müssen.
    Angesichts des Greises, dessen Röcheln das Zimmer erfüllte,
blieb sie mit ihrem Manne allein.

Kapitel 11
     
    Als Octave tags darauf um acht Uhr von seinem Zimmer
hinunterging, war er sehr überrascht, als er bemerkte, daß das
ganze Haus von dem gestrigen Anfalle und dem verzweifelten Zustande
des Hauseigentümers unterrichtet war. Man befaßte sich übrigens
weit weniger mit dem Kranken als mit der Erbschaft.
    Die Pichons saßen in ihrem kleinen Speisezimmer bei der
Schokolade. Julius rief Octave herbei.
    Da wird's wohl ein Durcheinander geben, wenn er jetzt stirbt,
nicht wahr? Recht drollige Geschichten… Wissen Sie, ob ein
Testament da ist?
    Der junge Mann fragte, ohne erst die an ihn gerichtete Frage zu
beantworten, woher sie die Neuigkeit hätten? Marie hatte sie von
der Bäckersfrau mit heraufgebracht; übrigens sickerte sie gleichsam von Stock zu Stock
durch, sogar von einem Ende der Straße zum andern ward sie durch
die Mägde verbreitet. Nachdem sie dann der kleinen Lilitte, die die
Finger in die Schokolade gesteckt hatte, einen Klaps versetzt,
sagte die junge Frau ihrerseits:
    Ah, das viele

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