Der häusliche Herd
meiner Lage auf
Abwege geraten sein.
Dann schob sie ihn sanft beiseite und erhob sich vom Sofa.
Lassen Sie mich! sagte sie. Der Tote da unten ist mir eine Pein.
Es ist mir, als habe das ganze Haus einen Leichengeruch.
Die Stunde des Leichenbegängnisses nahte.
Sie wollte vor der Leiche in der Kirche eintreffen, um nicht den
ganzen Trauerzug zu sehen.
Im Begriff, ihn hinauszugeleiten, erinnerte sie sich, daß sie
ihm ihren Antillenlikör versprochen habe; sie rief ihn deshalb
zurück und brachte zwei Gläser und eine Flasche. Es war eine stark
gezuckerte Creme mit einem Duft von Blumen. Als sie mit der
Naschhaftigkeit eines kleinen Mädchens getrunken hatte, gewann ihr
Antlitz einen reizend schmachtenden Ausdruck.
Das wird uns aufrecht halten, sagte sie.
Es war kurz vor elf Uhr. Die Leiche konnte noch nicht in den Hof
hinuntergeschafft werden, weil die Arbeiter der Begräbnisanstalt,
nachdem sie sich in einem benachbarten Weinhause vergessen hatten,
mit dem Aufspannen der schwarzen Tücher nicht fertig wurden. Octave
war neugierig und ging hinunter um zuzuschauen.
Der Gang war bereits durch einen breiten, schwarzen Vorhang
abgeteilt, doch hatten die Tapezierer noch am Tore die Vorhänge
anzubringen. Auf der Straße stand eine Gruppe von Mägden, die
schwatzend zuschauten, während Hyppolite mit würdiger Miene die
Arbeiter zur Eile antrieb.
Ja, gnädige Frau, sagte Lisa zu einer hageren Frauensperson,
einer Witwe, die seit einer Woche bei Valerie bedienstet war – ja,
es wird ihr nichts nützen … Das ganze Stadtviertel kennt ja
die Geschichte.
Um ihres Anteils an der Hinterlassenschaft des Alten sicher zu
sein, hat sie sich dieses Kind von einem Fleischer aus der
Annenstraße machen lassen, denn ihr Mann sah vom ersten Tag der Ehe
danach aus, das Zeitliche segnen zu wollen. Und siehe! Der Gatte
lebt noch, der Alte aber ist tot. Ihr schmutziger Range nützt ihr
nichts.
Die Witwe schüttelte voll Ekel den Kopf.
Nein, bei
der
bleibe ich
nicht! Ich habe ihr heute achttägig gekündigt. Stellen Sie sich
vor: dieses kleine Ungeheuer Canaille hat in meiner Küche ge…
t!
Inzwischen war Julie heruntergekommen, um Hyppolite einen Befehl
zu überbringen. Lisa lief hinzu, um zu hören, was es gebe. Nach
kurzem Gespräch kehrte sie zur Kammerfrau Valeries zurück.
Ja, es ist ein »Techtelmechtel«, in dem man sich nicht auskennt.
Ich denke, Ihre Herrin hätte sich das Kind ersparen und den Mann
ruhig sterben lassen können oder auch nicht, denn die
Hinterlassenschaft des Alten scheint noch immer nicht
gefunden … Die Köchin erzählt mir, daß die Erben ganz danach
aussehen, als wollten sie einander mit Ohrfeigen behandeln.
Jetzt kam Adele hinzu: sie trug um vier Sous Butter unter der
Schürze verborgen, denn ihre Herrin hatte ihr ein für allemal
verboten, die eingekauften Vorräte zu zeigen. Allein, Lisa wollte
wissen, was Adele trage und schimpfte sie dumme Gans. Hat man
jemals gesehen, daß man, um für vier Sous Butter zu holen, drei
Stockwerke herabsteigt? Sie würde diese Knauser schon lehren, wie
man seine Dienstleute verpflegen muß! Sie würde – wenn nötig – vor
ihren Augen sich von allem nehmen: von der Butter, vom Zucker, vom
Fleisch, von allem.
Seit einiger Zeit ward Adele in dieser Weise von den übrigen
Mägden zum Ungehorsam aufgestachelt. Die Lehren fielen bei ihr auf
fruchtbaren Boden. Um den anderen ihren Mut zu zeigen, brach sie
ein Stück von der Butter ab und aß es sofort ohne Brot.
Kommen Sie hinauf? fragte sie.
Nein, erwiderte die Witwe. Ich will sehen, wie man den Alten
herunterbringt. Ich habe mir deshalb einen Gang für diese Zeit
aufgespart.
Ich auch, sagte Lisa. Man versichert, daß er
dreihundert Pfund wiege. Wenn sie ihn auf der schönen Treppe fallen
ließen – das gäbe einen schönen Lärm!
Ich gehe hinauf, sagte Adele; ich will ihn nicht sehen. Ich
danke: es könnte mir wieder passieren, daß ich – wie vorige Nacht –
von ihm träume, wie er mich an den Beinen zerrt und mich wegen
meines Kehrichts auszankt.
Sie ging hinauf, verfolgt von den Späßen der beiden anderen. Im
Stockwerke der Dienstboten hatte man sich die ganze verflossene
Nacht über die bösen Träume Adelens lustig gemacht. Um nicht allein
zu sein, hatten die Mägde ihre Türen offen gelassen, und es hatte
sich ein Kutscher gefunden, der das Gespenst machte, so daß man bis
zum Morgen das Geschrei und Gekicher hören konnte. Lisa
versicherte, daß sie zeitlebens daran denken werde.
Die
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