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Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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kommen, sagte sie, muß ich mir wohl
selbst die Mühe nehmen, sie Ihnen zu bringen.
    Sie weigerte sich errötend einzutreten, betroffen bei dem
Gedanken, sich in der Wohnung eines jungen Mannes zu befinden. Ihre
Beziehungen hatten übrigens gänzlich aufgehört, und das war auf
ganz natürliche Weise geschehen: Octave war nicht wiedergekommen,
um das Verhältnis fortzusetzen. Sie verhielt sich indessen gleich
liebenswürdig gegen ihn und begrüßte ihn mit einem Lächeln, wenn
sie zusammentrafen.
    Octave war an diesem Tage sehr aufgeräumt und wollte Kurzweil
mit ihr treiben.
    Verbietet vielleicht Julius Ihnen, bei mir einzutreten? fragte
er. Wie stehen Sie jetzt mit Julius? Ist er sehr zärtlich? Sie
verstehen mich doch: antworten Sie rundheraus!
    Sie lachte und war keineswegs entrüstet über diese Rede.
    Freilich! Wenn Sie ihn mitnehmen, ihm Wermuth zahlen und ihm
Geschichten erzählen, daß er heimkehrt wie ein Narr! … Er ist
gar zu zärtlich, weniger wäre mir lieber. Aber es ist mir doch
angenehmer, wenn es bei mir geschieht als anderwärts.
    Dann fügte sie ernster hinzu:
    Da haben Sie, ich bringe Ihnen den Balzac wieder. Er ist zu traurig und hat seinen Lesern nichts als
unangenehme Dinge zu sagen.
    Sie verlangte Bücher, in denen viele Liebschaften, Abenteuer,
weite Reisen vorkämen. Bann sprach sie von dem Leichenbegängnis;
sie werde bis zur Kirche mitgehen, sagte sie, Julius aber bis auf
den Friedhof.
    Sie habe keine Furcht vor den Toten, plauderte sie weiter; mit
zwölf Jahren habe sie eine ganze Nacht allein bei den Leichen eines
Oheims und einer Tante gewacht, die in der kurzen Zeit von sechs
Stunden einem hitzigen Fieber erlegen waren.
    Julius hingegen hatte eine solche Scheu vor Toten, daß er ihr
verboten habe, ein Wort über den Hausherrn zu sprechen, der unten
auf der Bahre liege; so daß sie seit gestern abend keine zehn Worte
in der Stunde ausgetauscht hätten; nichtsdestoweniger hätten beide
immerfort an den Toten gedacht. Das fange schon an, langweilig zu
werden. Sie sei Julius halber froh, wenn die Leiche fortgeschafft
würde.
    Da sie schon so gemütlich über den Gegenstand sich ausplaudern
konnte, fragte sie den jungen Mann: ob er ihn gesehen habe? ob er
sich verändert habe? und ob es wahr sei, daß bei der Aufbahrung
sich etwas Abscheuliches ereignet habe? Und ob es wahr sei, daß die
Familie alle Matratzen aufgetrennt habe, um nach der Erbschaft zu
suchen.
    Es seien eine Menge Gerüchte im Umlauf in einem Hause wie
diesem, wo es soviele Mägde gebe. Der Tod sei der Tod, man spreche
von nichts anderem.
    Sie geben mir schon wieder einen Balzac, sagte sie dann, die
Bücher betrachtend, die er ihr lieh. Nein, nehmen Sie ihn nur
zurück; seine Erzählungen gleichen gar zu sehr dem wirklichen
Leben.
    Als sie ihm den Band hinreichte, ergriff er
sie am Handgelenk und wollte sie in das Zimmer ziehen. Denn er fand
sie unterhaltend mit ihrer Neugierde über den Tod; er fand sie
drollig, lebendiger als sonst, mit einemmal begehrenswert.
    Doch sie begriff, errötete tief, machte sich los und lief mit
den Worten davon:
    Ich danke, Herr Mouret! Auf Wiedersehen beim
Leichenbegängnis!
    Als Octave angekleidet war, erinnerte er sich seines
Versprechens, Frau Campardon zu besuchen. Er hatte noch zwei volle
Stunden Zeit, da das Leichenbegängnis auf elf Uhr anberaumt war,
und gedachte seinen Morgen mit einigen Besuchen im Hause
auszufüllen. Rosa empfing ihn im Bett; er entschuldigte sich,
fragte, ob er unbequem sei; doch sie rief ihn näher und beklagte
sich, daß man ihn so selten sehe; sie sei froh, eine Zerstreuung zu
finden.
    Mein liebes Kind, erklärte sie dann plötzlich, es wäre
besser, 
ich
 läge da unten zwischen vier Brettern
eingesargt.
    Ja, der Hauseigentümer sei sehr glücklich, er sei fertig mit
diesem Leben. Als Octave, betroffen, sie in einer solchen
trübseligen Stimmung zu sehen, sie fragte, ob sie sich schlechter
befinde, erwiderte sie:
    Ich danke: nein. Es geht mir immer gleich. Zuweilen aber kommt
es so arg über mich, daß ich genug habe.
    Achilles mußte sein Bett in dem Arbeitszimmer aufschlagen
lassen, weil es mich aufregte, wenn er sich nachts in seinem Bett
nur umdrehte. Sie wissen: Gasparine hat infolge unserer Bitten das
Geschäft verlassen. Ich bin ihr vielen Dank schuldig, denn sie
pflegt mich mit hingebungsvoller Zärtlichkeit. Mein Gott! Ohne
diese Zärtlichkeit, die mich umgibt, wäre ich kaum mehr am
Leben.
    Jetzt trat Gasparine ein mit der
unterwürfigen Miene

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