Der häusliche Herd
wütende Stimme Hyppolites lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder
auf die Arbeit der Tapezierer. Alle Würde außer acht lassend schrie
er:
Verdammter Trunkenbold! Das ist ja verkehrt!
In der Tat hatte der Arbeiter das Wappenschild verkehrt
angebracht. Im übrigen waren die schwarzen, silbergestickten
Vorhänge jetzt an Ort und Stelle, es waren nur noch die Rosetten
anzuheften, als mit einem Male ein Handkarren, beladen mit einem
dürftigen Hausrat, vor dem Tore hielt. Der Karren ward von einem
Straßenjungen gezogen, während ein großes, blasses Mädchen
hintendrein ging und von Zeit zu Zeit nachschob. Herr Gourd, der
mit dem gegenüber wohnenden Papierhändler plauderte, eilte hinzu
und schrie trotz der Feierlichkeit, welche die Trauer des Hauses
gebot:
He, Schlingel, wohin? Seht ihr denn nicht?
Das Mädchen trat dazwischen.
Mein Herr, ich bin die neue Mieterin. Sie
wissen ja … Und das sind meine Möbel.
Unmöglich! Morgen! schrie der Hausmeister wütend.
Sie schaute ihn an und blickte dann betroffen auf die schwarzen
Vorhänge. Diese schwarze Eingangspforte verwirrte sie. Doch sie
faßte sich wieder und entgegnete, daß sie ihr Mobiliar doch nicht
auf der Straße lassen könne. Da ward Herr Gourd grob.
Sie sind also die Schuhstepperin, die das Zimmer oben gemietet
hat? … Wieder so ein Eigensinn des Hausherrn! Alles für 130
Franken! Trotz der Verdrießlichkeiten, die wir mit dem Schreiner
hatten! … Und doch hatte er mir versprochen, daß er kein
Arbeitervolk mehr ins Haus nimmt. Jetzt kommt gar ein
Weibsbild! …
Dann erinnerte er sich, daß Herr Vabre tot sei.
Ja, Sie können sich umschauen! Der Hausherr liegt auf der Bahre;
und wäre er acht Tage früher gestorben, so wären Sie sicherlich
nicht hier … Tummeln Sie sich, bevor die Leiche
heruntergebracht wird!
In seiner Wut legte er selbst Hand an den Karren und schob ihn
zwischen den Vorhängen hindurch, die sich auseinandertaten und
langsam wieder schlossen. Dann verschwand das große Mädchen in der
schwarz ausgeschlagenen Toreinfahrt.
Die kommt zur rechten Zeit! bemerkte Lisa. Das ist heiter,
während eines Leichenbegängnisses einzuziehen. Ich hätte übrigens
an ihrer Stelle dem Hausmeister ordentlich den Text gelesen.
Doch sie schwieg wieder, als sie Herrn Gourd sah, den Schrecken
aller Mägde im Hause. Letzterer war deshalb so wütend, erzählte man
sich, weil das Haus Herrn Theophil und seiner Gattin als Erbe
zufallen solle. Er würde 100 Franken aus seiner Tasche gegeben
haben, wenn das Haus an Herrn Duverdy
gefallen wäre, der wenigstens eine Amtsperson ist. Das hatte er
eben dem Papierhändler erklärt.
Jetzt kamen Leute aus dem Hause. Frau Juzeur ging vorüber, indem
sie Octave zulächelte, der auf der Straße Trublot getroffen hatte.
Dann erschien Marie; sie schaute mit vielem Interesse der
Aufstellung der Böcke zu, auf welche die Bahre gestellt werden
sollte.
Diese Leute vom zweiten Stockwerke sind doch sonderbar, sagte
Herr Gourd, zu den geschlossenen Fensterläden des zweiten
Stockwerkes emporblickend. Vor drei Tagen sind sie verreist, als ob
sie es darauf abgesehen hätten, der Trauer des Hauses aus dem Wege
zu gehen.
In diesem Augenblicke versteckte sieh Lisa hastig hinter der
Witwe, denn sie bemerkte die Kusine Gasparine, die einen
Veilchenkranz brachte. Es war dies eine Aufmerksamkeit des
Baumeisters, der die guten Beziehungen zu den Duverdy fortsetzen
wollte.
Alle Wetter! Sie macht sich nobel, die zweite Frau Campardon,
bemerkte der Papierhändler.
Er nannte sie so mehr aus Gewohnheit, weil alle Krämer des
Stadtviertels ihr diesen Namen gaben. Lisa unterdrückte ein
Gelächter.
Doch jetzt machte sich eine allgemeine Enttäuschung bemerkbar.
Die Mägde erfuhren plötzlich, daß die Leiche schon herabgeschafft
sei. Es war dumm, auf der Straße zu bleiben und die Vorhänge zu
begaffen. Alle eilten ins Haus. In der Tat ward die Leiche eben von
vier Trägern aus dem Stiegenhaus gebracht. Die Vorhänge
verdunkelten die Toreinfahrt. Man sah im Hintergründe das matte
Licht des Hofes, der am Morgen rein gescheuert war.
Die kleine Luise, die hinter ihrer Herrin durchgegangen war,
erhob sich auf die Fußzehen und schaute in blöder Neugier mit weit offenen Augen dem Schauspiel zu. Die
vier Träger standen schnaufend am Fuße der Treppe, deren Vergoldung
und falscher Marmor in dem bleichen Lichte der Gasflammen einen
kaltfeierlichen Eindruck machten.
Da geht er, ohne seine Zinsgelder mitzunehmen, sagte Lisa mit
dem
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