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Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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noch
seine Unruhe. Seit acht Tagen bat er Berta vergebens, zu ihm
heraufzukommen, wenn alles im Hause schlafe. Hat der Hausmeister
etwa sein Vorhaben erraten? Verdrossen, gequält von Furcht und
Verlangen ging er zu Bette. Seine Liebe hatte sich zu einer tollen
Leidenschaft gesteigert; mit Ingrimm sah er sich in alle Torheiten
des Herzens verfallen. Bei jeder Zusammenkunft mit Berta in den
dunklen Seitengäßchen kaufte er ihr irgendein Geschenk, das da oder
dort in einem Schaufenster ihre Blicke auf sich gezogen hatte. Tags
vorher hatte sie in der Magdalenenpassage« einen kleinen Strohhut
mit so verlangenden Blicken betrachtet, daß er in den Laden trat,
um ihr den Hut zum Geschenke zu kaufen. Es war ein Reisstrohhütchen
und als Aufputz nichts als eine Rosengirlande; ein Ding von
reizender Einfachheit; indes fand er den Preis von 200 Franken
ziemlich hoch.
    Nachdem er mit fieberheißen Gliedern sich lange im Bette
herumgewälzt, schlief er gegen ein Uhr endlich ein. Da ward er
durch ein leises Pochen an der Türe geweckt.
    Ich bin's! hauchte eine zarte Frauenstimme.
    Es war Berta. Er öffnete und drückte sie im Dunkel
leidenschaftlich an seine Brust. Doch sie war nicht deshalb
gekommen; als er Licht machte, sah er, daß sie in einem sehr
aufgeregtem Zustande war. Er hatte tags vorher nicht genug Geld bei
sich und deshalb ihren Hut nicht bezahlt; sie aber hatte in ihrer
großen Freude die Unvorsichtigkeit begangen, ihren Namen zu nennen, und man sandte ihr
eine Rechnung. Zitternd vor Angst, daß man die Rechnung am
folgenden Tage ihrem Gatten wieder überreichen könne, hatte sie
sich entschlossen, in später Nachtstunde heraufzukommen, ermutigt
durch die tiefe Stille des Hauses und durch die Gewißheit, daß
Rachel schlafe.
    Morgen früh, nicht wahr? bat sie, indem sie wieder entschlüpfen
wollte; morgen früh muß der Hut bezahlt werden.
    Doch er hatte sie in seine Arme geschlossen.
    Bleibe!
    In halbwachem Zustande und zitternd vor Leidenschaft lag er an
ihrem Halse und flehte sie an. Sie war schon entkleidet und hatte
nichts mehr am Leibe, als einen Unterrock und ein Nachtjäckchen.
Sie lag gleichsam nackt in seinen Armen; ihre Haare waren schon
aufgelöst und für die Nachtruhe geordnet; ihre Schultern waren noch
warm von dem Hauskleide, das sie soeben abgelegt hatte.
    Nach einer Stunde will ich dich fortlassen, wahrhaftig! Bleibe
hier!
    Und sie blieb … In dem wollustheißen Zimmer schlug die
Pendeluhr langsam eine Stunde nach der andern; und bei jedem
Schlage der Uhr hielt er die ängstlich Bebende durch so zärtliche
Bitten zurück, daß sie kraft- und willenlos blieb. Endlich gegen
vier Uhr morgens, als sie in der Tat entschlossen schien, wieder
hinabzugehen, entschliefen beide in innigster Umarmung.
    Als sie erwachten, war es heller Tag: die Uhr zeigte die neunte
Morgenstunde, Berta stieß einen Schreckensruf aus.
    Mein Gott, ich bin verloren!
    Es war ein Augenblick voll unbeschreiblicher Verwirrung. Sie war
aus dem Bett gesprungen; ihre Augen waren von Mattigkeit und Schlaf
geschlossen; mit unruhig tastenden Händen,
unter fortwährenden, halb unterdrückten Ausrufen des Schreckens
kleidete sie sich eiligst an. Auch er war in verzweiflungsvoller
Stimmung und verstellte ihr den Weg, um sie zu verhindern, zu
dieser Stunde halbnackt hinabzugehen. Sie sei von Sinnen, hielt er
ihr vor; man werde sie auf den Treppen erkennen, es sei zu
gefährlich; sie müßten ein wenig überlegen und ein Mittel zu
ersinnen trachten, wie sie unbemerkt hinuntergehen könne.
    Doch sie war eigensinnig und wollte durchaus fortgehen, wie sie
war; sie riß an der Türe, gegen die er sich gestemmt hatte. Endlich
dachte er an die Dienstbotentreppe; da könne sie ganz bequem
hinabgehen und durch die Küche in ihr Zimmer gelangen. Da er wußte,
daß Marie Pichon am Morgen sich gewöhnlich auf dem Gange aufhalte,
beschloß er, die Nachbarin einen Augenblick zu beschäftigen, damit
die andere entfliehen könne. Er kleidete sich in aller Eile
notdürftig an.
    Mein Gott, wie lange dauert das! stammelte Berta, die in diesem
Zimmer litt wie in einem glühenden Ofen.
    Endlich ging Octave mit erzwungener Ruhe hinaus und fand zu
seiner Überraschung Saturnin bei Frau Pichon; der Verrückte schaute
der jungen Frau ruhig zu, wie sie ihr Hauswesen besorgte. Sie
duldete ihn gerne, denn es war doch eine Gesellschaft, wenngleich
sie mit ihm nicht viel sprechen konnte.
    Sie sind mit Ihrem Verehrer, sagte Octave scherzend, indem er
die Türe hinter

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