Der häusliche Herd
einen Schlüssel aus der Tasche und
öffnete das Zimmer, das an den vornehmen Herrn vermietet war, der
jede Woche einmal kam, um eine Nacht daselbst zu arbeiten.
Durch die Türe, die einen Augenblick offen blieb, konnte Octave
einen vollen Blick in das Zimmer werfen, das sonst immer
geschlossen war wie das Grab. Es herrschte da die fürchterlichste
Unordnung; der Herr hatte offenbar die ganze Nacht gearbeitet; man
konnte ein großes Bett mit durcheinander geworfenen Bettüchern
sehen, einen leeren Glasschrank, wo die Reste eines Hummers und
einige angebrochene Weinflaschen standen, endlich zwei schmutzige
Waschbecken, das eine vor dem Bett, das andere auf einem Sessel.
Herr Gourd machte sich mit der kühlen Miene eines Beamten im
Ruhestande daran, die Waschbecken ihres Inhaltes zu entleeren und
auszuspülen.
Octave eilte nach der Magdalenenpassage, um den Hut zu bezahlen;
unterwegs war er von einer grausamen Ungewißheit gepeinigt. Als er
zurückkehrte, entschloß er sich, die Hausmeistersleute zum
Schwatzen zu bringen. Frau Gourd saß am offenen Fenster zwischen
zwei Blumentöpfen und schöpfte frische
Luft. Neben der Türe stand Mutter Pérou und wartete mit
unterwürfiger, bestürzter Miene.
Kein Brief für mich da? fragte Octave.
Herr Gourd kam eben von dem Zimmer im dritten Stockwerk herab.
Die Besorgung der Wirtschaft in diesem Zimmer war die einzige
Arbeit, die er sich im Hause vorbehalten hatte. Er fühlte sich sehr
geschmeichelt durch das Vertrauen des fremden Herrn, der ihn sehr
gut bezahlte unter der Bedingung, daß die Waschbecken nicht in
andere Hände kämen, als in die seinigen.
Nein, Herr Mouret, nichts! erwiderte er.
Herr Gourd hatte die Mutter Pérou wohl bemerkt, doch tat er, als
ob er sie nicht sehe. Tags vorher war der armen Alten das Unglück
passiert, daß sie im Vorraum einen Kübel Wasser umstieß; Herr Gourd
war dadurch dermaßen in Zorn geraten, daß er sie sogleich
hinauswarf. Sie war jetzt gekommen, um mit unterwürfiger Miene,
sich an den Mauern schier plattdrückend, ihren Rückstand zu
fordern.
Da aber Octave verweilte, um Frau Gourd gegenüber den
Liebenswürdigen zu spielen, wandte der Hausmeister sich schroff
gegen die Alte um und herrschte sie an:
Also Ihr wollt bezahlt sein … Was ist man Euch
schuldig?
Doch Frau Gourd unterbrach ihn.
Mein Lieber, schau nur, da ist wieder dieses Mädchen mit dem
abscheulichen Vieh! …
Es war Lisa, die einen Wachtelhund herumschleppte, den sie auf
der Straße aufgelesen hatte. Das gab Anlaß zu fortwährenden
Streitigkeiten mit den Hausmeistersleuten. Der Hausbesitzer wolle
keine Tiere im Hause dulden. Nein, keine Tiere und keine Weiber!
Der Hof war dem Hündchen untersagt – er könne auch anderwärts
seinen Schmutz ablagern. Da es seit dem
Morgen regnete und der Hund mit beschmutzten Pfoten von der Straße
kam, stürzte Herr Gourd hinaus und schrie:
Der Hund darf nicht die Treppe hinaufgehen; nehmen Sie ihn in
den Arm, hören Sie?
Was, um mich zu beschmutzen? erwiderte Lisa unverschämt. Das
wäre ein Unglück, wenn der Hund die Dienstbotentreppe ein wenig
beschmutzte! Geh nur, Loulouchen!
Herr Gourd wollte das Hündchen erhaschen, wobei er schier
ausglitt. Er wetterte gegen die Unflätigkeit der Mägde; er war
immer auf dem Kriegsfuße mit ihnen, gequält von dem Eifer des
einstigen Bedienten, der sich jetzt selbst bedienen läßt. Lisa
wandte sich sogleich um und rief ihm mit dem frechen Ausdrucke der
in den Gossen von Montmartre aufgewachsenen Dirne zu:
Ob du mich wohl in Ruhe lassen wirst, alte Bedientenseele! Geh
die Nachttöpfe des »Herrn Herzog« ausleeren!
Das war die einzige Schmähung, die Herrn Gourd zum Schweigen
brachte; die Mägde machten denn auch reichlichen Gebrauch davon.
Wutschnaubend kehrte er in seine Loge zurück, wobei er vor sich
hinbrummte, daß er darauf stolz sei, bei dem »Herrn Herzog« gedient
zu haben und daß sie, dieser »Schmutzfink«, keine zwei Stunden bei
ihm geduldet worden wäre. Jetzt fiel er über die ängstlich
zitternde Mutter Perou her.
Was bekommt Ihr? Wie, zwölf Franken 65 Centimes, sagt Ihr? Das
ist nicht möglich? Aha, Ihr rechnet auch die Viertelstunden?
Niemals! Ich habe Euch gesagt, daß ich keine Viertelstunden
bezahle!
Er bezahlte noch immer nicht: er ließ sie niedergeschmettert
stehen und mengte sich in das Gespräch Octaves mit seiner Frau.
Ersterer sprach eben von den vielen Plackereien, die ein solches
Haus ihnen verursachen müsse; so wollte er
sie auf das
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