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Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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geblieben war. Dabei ließ sie allerlei
unzusammenhängende Worte fallen. Er könne allein mit ihren Eltern
speisen, wenn er wolle; und er könne ihnen auch ihre Abwesenheit
erklären! denn sie werde nicht zu Tisch kommen – lieber sterben!
Sie ziehe vor, sich ins Bett zu legen.
    Sie zog mit fieberhafter Hast die Bettdecke ab, machte die
Kissen zurecht, schlug die Bettücher zurück – und machte – die
Anwesenheit Octaves vergessend – sogar Miene, ihr Kleid aufzunesteln. Dann ging sie
plötzlich zu etwas anderem über.
    Werden Sie es glauben? – er hat mich geschlagen. Ja, geschlagen,
geschlagen! … Und weshalb? Weil ich mich der Lumpen schämend,
in denen er mich gehen läßt, 500 Franken verlangt habe!
    Octave stand mitten im Zimmer und suchte nach versöhnenden
Worten. Sie habe unrecht, sich so sehr zu kränken; alles werde
wieder ins Geleise kommen. Endlich wagte er es, ihr ein Anerbieten
zu machen.
    Wenn Sie wegen einer Zahlung in Verlegenheit sind, warum wenden
Sie sich nicht an Ihre Freunde? … Ich würde mich glücklich
preisen … Ach, es handelt sich ja nur um ein Darlehen. Sie
würden alles wieder bezahlen.
    Sie blickte ihn an und sagte nach einer Weile:
    Niemals! Das ist verletzend … Was würde man denken, Herr
Octave?
    Ihre Weigerung war so entschieden, daß vom Gelde keine Rede mehr
war. Doch schien ihr Zorn sich gelegt zu haben. Er sann darüber
nach, ob es nicht das beste sei, sie in seine Arme zu schließen;
allein, die Furcht, wieder einmal abgewiesen zu werden, lähmte
seine Entschlossenheit. Sie betrachtete ihn noch immer stumm, mit
entschlossener Miene, die Stirne leicht gerunzelt.
    Sie müssen sich in Geduld fassen, sagte er endlich. Ihr Gemahl
ist kein schlechter Mensch. Wenn Sie ihn zu behandeln wissen,
werden Sie von ihm alles erhalten, was Sie wollen …
    Doch hinter der Leere ihrer Worte fühlten beide, wie der
nämliche Gedanke sie gefangennahm. Sie waren allein, frei,
geschützt vor jeder Überraschung, da der Riegel vorgeschoben war.
Dieses Gefühl der Sicherheit, die eingeschlossene,behagliche Wärme des Zimmers bemächtigte sich ihres
ganzen Wesens. Allein ihm fehlte der Mut; der weibliche Sinn in ihm
trat in diesem Augenblicke der Leidenschaft so sehr hervor, daß in
der gegenseitigen Annäherung 
er
 die Rolle des
Weibes spielte. Da ließ sie, der genossenen Lehren eingedenk, ihr
Taschentuch fallen.
    Verzeihung! sagte sie dem jungen Manne, der sich bückte, um es
aufzuheben.
    Ihre Finger streiften sich, und durch diese flüchtige Berührung
wurden sie einander näher gebracht. Sie lächelte zärtlich; ihre
Taille war biegsam und geschmeidig, denn sie erinnerte sich, daß
die Männer die steifen Bretter verabscheuen. Man dürfe sich nicht
albern benehmen, man müsse unschuldige Kindereien gestatten, ohne
es merken zu lassen, wenn man einen Mann kapern wolle.
    Die Nacht bricht herein, sagte sie, indem sie zum Fenster ging,
um die Flügel vollends zu öffnen.
    Er folgte ihr und da, im Schatten der Vorhänge, überließ sie ihm
ihre Hand. Sie lachte und betäubte ihn mit ihrem perlenden
Gelächter, mit ihren lieblichen Gebärden; und da er endlich mutiger
ward, lehnte sie den Kopf zurück und zeigte so ihren jugendlichen,
zarten, von der Heiterkeit geschwellten Hals. Er konnte nicht
länger an sich halten und küßte sie unter dem Kinn.
    Oh, Herr Octave, sagte sie, indem sie tat, als wolle sie sich
artig von ihm losmachen.
    Doch er drängte sie zum Bett, das sie vorhin geöffnet hatte; und
in seinem befriedigten Verlangen trat seine ganze
Rücksichtslosigkeit wieder hervor, die wilde Verachtung für das
Weib, die sich bei ihm unter der einschmeichelnden Verehrung barg.
Sie ließ ihn still gewähren, ohne ein Vergnügen dabei zu
finden.
    Als sie sich mit müden Gliedern und verdrossen
erhob, war die Geringschätzung gegen den
Mann in ihr wieder erwacht und drückte sich in dem finsteren Blicke
aus, den sie ihm zuwarf. Es herrschte tiefe Stille, nur
unterbrochen durch die regelmäßigen Bürstenstriche des Verrückten
vor der Türe draußen.
    In dem Taumel seines Triumphes dachte Octave an Valerie und an
Frau Hédouin. Endlich war er etwas anderes als der Liebhaber der
kleinen Pichon. Er war gleichsam in den eigenen Augen wieder der
alte. Dann empfand er angesichts einer trübseligen Gebärde Bertas
eine gewisse Scham und küßte sie zärtlich. Sie sammelte sich
allmählich; ihr Gesicht nahm wieder den Ausdruck der gewöhnlichen
Sorglosigkeit an. Sie machte eine

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