Der häusliche Herd
den Laden eintretend, beruhigte er durch ein Zeichen Berta,
die ihn wegen des Hutes mit den Blicken befragte. Damit war auch
das fürchterliche Abenteuer vom Morgen völlig vergessen. Als August
kurz vor dem Frühstück zurückkehrte, fand er sie wie gewöhnlich:
Berta saß gelangweilt auf ihrem Bänkchen vor dem Zahltisch, Octave
maß galant einer Dame ein Kopftuch ab.
Von da ab kamen die beiden Liebenden noch seltener zusammen. Er
war verzweifelt und bestürmte sie fortwährend in allen Ecken und
Winkeln wegen einer Zusammenkunft, es sei ihm gleichgültig wann und
wo. Sie hingegen schien wie eine im Treibhause erzogene Frau von
der sündhaften Liebe nur die verstohlenen Ausgänge, die Geschenke,
die kostspieligen Stunden zu lieben, die man in der Droschke, im
Theater, im Restaurant zubringt. Ihre ganze Erziehung, ihr
Verlangen nach dem Gelde, nach der Toilette, nach dem
verschwenderischen Luxus drängte die Liebesleidenschaft in den
Hintergrund, und sie ward denn auch ihres Liebhabers bald
überdrüssig ebenso wie ihres Gatten: sie fand, daß er mehr fordere
als gebe.
Sie übertrieb ihre Besorgnisse und weigerte sich fortwährend;
bei ihm nie mehr! Sie sei neulich vor Angst schier gestorben; bei
ihr sei es unmöglich, man könne sie überraschen. Wenn er sie bat,
sie möge außerhalb des Hauses in irgendeinem Hotel auf ein
Stündchen mit ihm zusammentreffen, so
begann sie zu schluchzen und sagte, daß er sie gar nicht achte.
Inzwischen dauerten aber die Ausgaben fort; ihre Launen traten
immer deutlicher hervor. Nach dem Hute verlangte sie einen Fächer
mit Alenoçner Spitzen, die kleinen kostspieligen Sächelchen
ungerechnet, die sie bald vor diesem, bald vor jenem Schaufenster
verlangte. Wohl wagte er noch nicht, ihr etwas abzuschlagen; allein
angesichts des Schwindens seiner Ersparnisse erwachte sein
angeborner Geiz. Als Praktiker, der er war, fand er es endlich
dumm, immer zu zahlen, während sie ihm nichts überließ als ihren
Fuß unter dem Tische. Entschieden – Paris brachte ihm Unglück;
zuerst Mißerfolge und jetzt diese Herzenstorheit, die ihm seine
Börse leerte. Wahrhaftig, man konnte ihm nicht vorwerfen, daß er
durch die Frauen seinen Weg machte.
Der Gatte war ihnen übrigens wenig hinderlich. Seitdem die
Geschäfte der Lyoner Fabrik eine schlimme Wendung nahmen, ward er
von seiner Migräne immer mehr geplagt. Am Ersten des Monats
bemerkte Berta zu ihrer freudigen Überraschung, wie er abends 300
Franken für ihre Toilette unter die Uhr im Schlafzimmer
niederlegte. Da sie auch nicht auf einen Sou gerechnet hatte,
konnte sie nicht umhin, trotz der Verminderung der geforderten
Summe sich ihm dankbar in die Arme zu werfen. Der Gatte hatte eine
reizende Nacht, wie der Liebhaber sie niemals hatte.
So verfloß der Monat September in der großen Ruhe des durch den
Sommer leergewordenen Hauses. Die Leute vom zweiten Stockwerk waren
in einem spanischen Seebade; Herr Gourd zuckte darüber mitleidig
mit den Achseln und meinte, daß die vornehmsten Leute sich mit
Trouville begnügen könnten! Die Duverdy waren seit Beginn der
Ferien mit Gustav auf ihre Besitzung in Villeneuve-Saint-George gezogen. Selbst die Josserand
waren verreist, um zwei Wochen bei einer befreundeten Familie in
der Nähe von Pontoise zuzubringen; vorher setzten sie im Hause das
Gerücht in Umlauf, daß sie ein Seebad aufsuchten. Diese Leere, die
verlassenen Wohnungen, die in einschläfernder Stille daliegende
Treppe schienen Octave noch weniger Gefahr zu bieten; er ermüdete
Berta mit seinen dringenden Bitten, so daß sie endlich einwilligte,
ihn eines Abends, als August in Lyon war, bei sich zu empfangen.
Doch dieses Stelldichein hätte beinahe eine schlimme Wendung
genommen. Frau Josserand, die tags vorher zurückgekehrt war, hatte
in der Stadt gespeist und sich eine Verdauungsstörung geholt.
Beunruhigt über ihren Zustand, kam Hortense herab, um ihre
Schwester zu rufen. Glücklicherweise gelang es Rachel, den jungen
Mann noch rechtzeitig über die Dienstbotentreppe entschlüpfen zu
lassen. An den folgenden Tagen machte sich Berta diesen Vorfall
zunutze, um ihm alles abzuschlagen. Sie hatten überdies den Fehler
begangen, die Magd nicht zu belohnen; diese diente ihnen mit der
kühlen Miene, mit der respektvollen Überlegenheit des Mädchens, das
nichts sieht und nichts hört. Allein als sie sah, wie ihre
Gebieterin immerfort nach dem Gelde jammerte, und wie Herr Octave
schon zuviel Geld für Geschenke ausgegeben hatte, spitzte sie
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