Der häusliche Herd
mit deiner Erlaubnis
hiermit feststelle.
Sie entkleidete sich mechanisch; dabei ereiferte sie sich immer
mehr und sagte mit erhobener Stimme:
Mama tut ihre Pflicht. Sie haben nicht von ihr zu reden. Ich
verbiete Ihnen, ihren Namen auszusprechen. Das fehlt noch, daß Sie
meine Familie angreifen!
Da sie die Schnur ihres Unterrockes nicht lösen konnte, zerriß
sie die Schlinge. Dann setzte sie sich an den Rand des Bettes und
fuhr fort:
O, wie beklage ich meine Schwäche, mein Herr. Wenn man alles
voraussehen könnte, würde man sich manches überlegen!
Sie befand sich jetzt im Hemd, die nackten Beine und Arme
zeigten die Fülle einer wohlgenährten, kleinen Frau. Ihr vom Zorn
geschwellter Busen quoll aus den Spitzen hervor. Octave, der zuerst
tat, als wollte er zur Mauer gewendet bleiben, warf sich mit einem
Ruck herum.
Was, Sie bedauern, mich geliebt zu haben?
Gewiß; Sie sind ein Mensch, der ein
Frauenherz nicht begreift!
Sie sahen einander an mit harten, lieblosen Mienen. Sie hatte
ein Knie auf den Rand der Matratze gesetzt; ihr Busen war gespannt,
die Schenkel eingebogen: es war die anmutige Bewegung einer Frau,
die im Begriff ist, zu Bett zu gehen. Doch er hatte kein Auge mehr
für ihr rosiges Fleisch, für die biegsamen, zurückweichenden Linien
ihres Rückens.
Ach, mein Gott, wenn ich von vorne anfangen könnte! fügte sie
hinzu.
So würden Sie einen andern nehmen, nicht wahr? sagte er
rücksichtslos sehr laut.
Sie hatte sich unter der Decke neben ihm ausgestreckt und war im
Begriffe, ihm im nämlichen erbitterten Tone zu antworten, als
heftig an die Türe gepocht wurde. Beide lagen vor Entsetzen
erstarrt da. Draußen sprach eine dumpfe Stimme:
Öffnet, ich höre euch eure Schweinereien machen! … Öffnet,
oder ich stoße alles ein!
Es war die Stimme des Gatten. Die beiden Liebenden rührten sich
noch immer nicht; sie waren so verwirrt, daß ihnen kein Gedanke
kommen wollte; völlig kalt, wie tot, lagen sie Leib an Leib. In dem
instinktiven Bedürfnis, den Liebhaber zu fliehen, sprang Berta
endlich aus dem Bette, während der Gatte draußen schrie:
Öffnet, öffnet!
Eine unbeschreibliche Verwirrung und Angst herrschte in dem
Zimmer. Berta lief kopflos in dem Zimmer umher, einen Ausgang
suchend, von bleicher Todesfurcht erfüllt. Octave, dem bei jeden
Faustschlag gegen die Tür das Herz erbebte, stemmte sich in
unwillkürlicher Regung gegen die Tür, als wollte er sie dadurch
befestigen. Das wird unerträglich, sagte
Octave; dieser Schwachkopf wird das ganze Haus alarmieren; es wäre
das beste, zu öffnen.
Als sie diese Absicht Octaves sah, hängte sie sich an seine Arme
und flehte ihn mit ihren schreckensstarren Augen an: Nein, um
Gottes willen, nein! Der andere würde mit einem Pistol oder einem
Messer über Sie herfallen.
Bleich und von ihrem Schrecken fortgerissen, hatte er in aller
Eile ein Beinkleid angezogen; dabei bat er sie halblaut, sich
anzukleiden. Doch sie tat nichts dergleichen, sie blieb nackt und
vermochte nicht einmal ihre Strümpfe zu finden. Der Gatte draußen
ward inzwischen immer wütender.
Ihr wollt nicht, ihr antwortet nicht? Gut ihr sollt sehen!
Octave hatte schon seit dem letzten Mietsquartal den
Hausbesitzer wiederholt gebeten, zwei Riegel an seiner Türe
anbringen zu lassen, denn das Schloß saß sehr lose in dem Holze.
Jetzt krachte plötzlich die Türe, das Schloß sprang ab und August,
in seinem Anlauf das Gleichgewicht verlierend, fiel mitten in das
Zimmer hinein.
Herrgott nocheinmal! fluchte er.
Er hielt nur einen Schlüssel in der Hand, seine Faust blutete,
er hatte sie sich bei dem Falle verletzt. Als er bleich, wütend und
beschämt über diesen lächerlichen Einzug sich erhob, fuchtelte er
mit den Armen herum und wollte sich auf Octave stürzen. Doch dieser
packte, obgleich verlegen über den Zustand, in dem er sich befand,
mit starker Faust die Hand des andern und rief:
Mein Herr, Sie verletzen mein Hausrecht! Das ist unwürdig! So
benimmt sich kein Mann von Ehre!…
Er war nahe daran, ihn zu prügeln. Während ihres kurzen Kampfes
hatte sich Berta im Hemde durch die weit offen stehende Tür
geflüchtet; sie glaubte in der blutenden Faust ihres Gatten ein Küchenmesser funkeln zu sehen
und fühlte schon die kalte Klinge in ihrer Schulter. Wie sie durch
den finstern Flur lief, glaubte sie, das Geräusch von Ohrfeigen zu
hören, ohne zu wissen, wer sie gegeben, und wer sie empfangen habe.
Sie hörte einen Austausch von Reden, ohne zu wissen, von wem
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