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Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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bist es, die ich liebe, begreifst du nicht? Bei allem, was
mir heilig ist – ich lüge nicht! öffne mein Herz, um
hineinzuschauen!… Ach, ich bitte dich, sei gut! Noch diesmal und
dann nie wieder! Heute würdest du mich zu sehr betrüben; ich würde
daran zugrunde gehen.
    Marie überließ sich ihm kraftlos, gebrochen durch den ungestümen
Willen dieses Mannes. Es war bei ihr Gutmütigkeit, Furcht und
Dummheit zugleich.
    Sie machte eine Bewegung, als wolle sie vorher die schlafende
Lilitte in ihr Zimmer tragen. Aber er hielt sie zurück, weil er
fürchtete, das Kind könne erwachen. Und sie überließ sich ihm an
derselben Stelle, wo sie ihm im vorigen Jahre als gehorsames Weib
in die Arme gesunken war. Zu dieser Nachtstunde herrschte eine so
tiefe Stille im Hause, daß gleichsam ein leises Summen in dem
Zimmer zu vernehmen war. Plötzlich sank die Flamme der Lampe, und
sie wären im Finstern geblieben, wenn nicht Marie, sich erhebend,
sie noch rechtzeitig emporgeschraubt hätte.
    Du zürnst mir? fragte Octave in zarter Dankbarkeit.
    Sie gab ihm mit ihren kalten Lippen einen letzten Kuß und
sagte:
    Nein; aber du handelst nicht recht, besonders was diese Person
betrifft; mit mir hatte es nichts mehr zu bedeuten.
    Die Tränen traten ihr in die Augen; sie war traurig, aber ohne
Groll. Als er sie verließ, war er unzufrieden; er
wollte zu Bett gehen und schlafen. Nachdem
seine Leidenschaft befriedigt war, fühlte er etwas wie einen herben
Nachgeschmack. Indes mußte jetzt die andere bald kommen, er mußte
sie erwarten; dieser Gedanke an die andere lastete mit
fürchterlicher Wucht auf seinen Schultern; er wünschte eine
Katastrophe herbei, die sie hindern würde, heraufzukommen, während
er früher ganze Nächte verbracht hatte, fieberhaft Pläne zu
schmieden, wie er sie eine Stunde lang in seinem Zimmer haben
könne. Vielleicht werde sie wieder einmal ihr Wort nicht halten?
Das war eine Hoffnung, der er sich kaum hinzugeben wagte.
    Es schlug die Mitternachtsstunde. Octave lauschte ermüdet,
stehend, und fürchtete jeden Augenblick das Rauschen ihrer Röcke
auf dem engen Korridor zu hören. Um halb ein Uhr ergriff ihn eine
wahre Angst, um ein Uhr glaubte er sich gerettet, und dennoch lag
in dieser Erleichterung eine dumpfe Gereiztheit, die Verdrossenheit
eines Mannes, den eine Frau zum besten hält. Als er sich endlich
laut gähnend zu entkleiden anschickte, ward dreimal leise an die
Türe gepocht. Es war Berta. Er war verdrossen und geschmeichelt
zugleich; er ging ihr mit offenen Armen entgegen, doch sie schob
ihn beiseite und horchte zitternd an der Tür, die sie heftig
geschlossen hatte.
    Was gibt es? fragte er mit gedämpfter Stimme.
    Ich weiß nicht, ich hatte große Furcht, stammelte sie. Es ist so
finster auf dieser Treppe; ich glaubte, daß mich jemand verfolge.
Mein Gott, wie dumm sind diese Abenteuer! Es wird uns sicherlich
noch ein Unglück widerfahren!
    Beide waren vor Schreck erstarrt und vergaßen sich zu küssen.
Gleichwohl war sie reizend in ihrem weißen Nachtkleide, mit ihrem
Goldhaar, das über den Nacken in einem Knoten aufgesteckt war. Er
betrachtete sie und fand sie weit hübscher
als Marie; aber er hatte kein Verlangen mehr nach ihr; es war ihm
jetzt schon ein Frondienst.
    Berta setzte sich, um zu Atem zu kommen und als sie auf dem
Tische eine Schachtel bemerkte, in der sie den Schal vermutete, von
dem sie seit acht Tagen sprach, tat sie plötzlich sehr erzürnt.
    Ich gehe, sagte sie, ohne sich aber zu erheben.
    Wie, du gehst?
    Glaubst du etwa, daß ich mich verkaufe? Du verletzest mich
immerfort und verleidest mir heute wieder mein Glück. Warum hast du
den Schal gekauft, da ich es dir verboten habe?
    Sie erhob sich und ließ sich erst nach vielem Bitten herbei, ihn
anzuschauen. Doch als sie in die offene Schachtel blickte, war sie
sehr enttäuscht. Sie konnte sich nicht enthalten, entrüstet
auszurufen:
    Wie, das ist kein Chantilly… Das ist ja ein Lamaschal!
    Octave, der in letzter Zeit seine Geschenke verminderte, hatte
in einer Regung von Geiz einen Lamaschal statt eines solchen von
Chantilly gekauft. Er bemühte sich, ihr zu erklären, daß es
prächtigen Lama gebe, der an Schönheit dem Chantilly nicht
nachstehe, und pries den Artikel, als ob er hinter dem Ladenpulte
stehe, nötigte sie, die Spitze zu betasten, und schwur ihr, daß das
Stück ihr Leben lang dauern werde. Doch sie schüttelte den Kopf und
sagte in geringschätzigem Tone:
    Der kostet schließlich doch nur 100 Franken,

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