Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
Vom Netzwerk:
fiele, würde er alle seine Kunden
verlieren … Wie kommt es, gnädige Frau, – erlauben Sie mir die
Bemerkung – daß Ihr religiöses Gefühl Sie von einem solchen
Betragen nicht zurückgehalten hat? Dieser Tage erst hat uns der
Abbé Mauduit mit einer wahrhaft väterlichen Zuneigung von Ihnen
gesprochen.
    Von diesen dreien ins Kreuzfeuer genommen, drehte Berta den Kopf
bald dahin, bald dorthin, immer bestürzt auf den blickend, der
sprach. Zu ihrem Schrecken begriff sie allmählich und war betroffen
darüber, sich hier zu befinden. Weshalb hatte sie angeläutet? Was
suchte sie unter diesen Leuten, die sie nur störte? Sie betrachtete
alle drei: die Frau breit in ihrem Bett, der Mann mit einer
Unterhose, die Kusine mit einem dünnen Röckchen bekleidet, beide
weiß von den Federn des nämlichen Kissens. Sie hatten recht: man
überraschte die Leute nicht in dieser Weise. Da der Architekt sie
allgemach in das Vorzimmer drängte, ging
sie fort, ohne die Vorwürfe Rosas auch nur zu beachten.
    Soll ich Sie zu Ihren Eltern begleiten? fragte Campardon
nochmals. Ihr Platz ist bei ihnen.
    Sie lehnte mit einer Gebärde des Entsetzens ab.
    Dann erlauben Sie, daß ich einen Blick auf die Treppe werfe,
denn ich wäre in Verzweiflung, wenn Ihnen das geringste widerfahren
würde.
    Lisa mit ihrem Leuchter stand noch mitten im Vorzimmer. Er nahm
die Kerze, trat auf den Treppenabsatz hinaus, kam aber gleich
wieder zurück.
    Ich schwöre Ihnen, gnädige Frau, daß niemand da ist … Eilen
Sie!
    Berta, die kein Wort mehr sagte, riß sich jetzt das Tuch von den
Schultern, das man ihr geliehen hatte und warf es zu Boden mit den
Worten:
    Nehmen Sie, das gehört Ihnen! Da er mich töten wird – was nützt
es mir?
    Damit ging sie fort, hinaus auf die finstere Treppe im Hemde,
wie sie gekommen war. Campardon verschloß die Türe hinter ihr,
wobei er wütend brummte:
    Geh', laß dich anderwärts hängen!
    Als Lisa hinter ihm in ein Gelächter ausbrach, fügte er
hinzu:
    Es ist wahr; wenn man solchen Leuten Einlaß gewähren würde,
könnte man sich jede Nacht auf ähnliche Abenteuer gefaßt machen.
Jeder bleibe für sich. Ich gebe ihr gerne 100 Franken; aber meinen
Ruf will ich makellos erhalten.
    Rosa und Gasparine tauschten mittlerweile ihre Bemerkungen aus.
Hat man jemals eine so schamlose Person gesehen? Nackt auf den
Treppen umherzuspazieren! Es gibt wahrhaftig Weiber, die gar nichts
achten, wenn es über sie kommt!
    Doch es war zwei Uhr nach Mitternacht, man
mußte schlafen gehen. Man umarmte einander von neuem. Gute Nacht,
mein Liebster! Gute Nacht, Mädelchen! Wie gut ist es doch, sich zu
lieben und zu vertragen, wenn man bei anderen Eheleuten solche
Dinge sieht!
    Rosa nahm wieder ihren Dickens zur Hand, der ihr auf den Bauch
hinabgeglitten war. Sie gedachte, noch eine Weile zu lesen, um dann
gut einzuschlafen. Campardon folgte Gasparine und ließ diese zuerst
zu Bett gehen, um sich dann neben ihr auszustrecken. Beide brummten
verdrießlich, denn die Bettücher waren kalt geworden, und es werde
eine halbe Stunde dauern, bis sie wieder warm würden. Lisa, die,
ehe sie hinaufging, noch einmal zu Angela zurückgekehrt war, sagte
dieser:
    Die Dame hat eine Verrenkung. Zeigen Sie einmal, wie ist sie zu
ihrer Verrenkung gekommen?
    Schau so! erwiderte das Kind, indem es sich Lisa an den Hals
warf und sie auf den Mund küßte.
    Inzwischen zitterte Berta draußen auf der Treppe. Es war kalt,
denn die Treppenheizung beginnt erst mit dem ersten November. Doch
legte sich ihre Furcht allmählich. Sie war zur Tür ihrer Wohnung
gegangen und hatte ein wenig gehorcht: nichts, keinerlei Geräusch.
Dann ging sie in den vierten Stock hinauf, wagte aber nicht, bis zu
Octaves Zimmer zu gehen; sie horchte auch hier, aber es herrschte
Grabesstille, nicht der leiseste Laut war zu vernehmen.
    Schließlich hockte sie auf der Strohmatte vor der Türe ihrer
Eltern nieder, in der unbestimmten Hoffnung, daß Adele kommen
werde. Der Gedanke, ihrer Mutter alles zu gestehen, entsetzte sie,
als ob sie noch ein kleines Mädchen sei. Die Feierlichkeit der
Treppe erfüllte sie allmählich mit neuer Angst. Streng und dunkel
lag die Treppe da. Obgleich sie von niemanden gesehen ward, schämte
sie sich darüber, sich so nackt inmitten
der Ehrbarkeit dieser vergoldeten Zinkverzierung und des falschen
Marmors der Wände zu finden. Durch die hohen Mahagonitüren schien
die eheliche Würde der Schlafzimmer auf sie einzudringen. Niemals
hatte ein so tugendhafter Atem

Weitere Kostenlose Bücher