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Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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und
befürchtete, sie mit seinem Duell zu
erschrecken. Allein sie ließ ihm nicht Zeit zum Lügen, sondern frug
ihn mit ganz ruhiger Miene:
    Was gedenkst du jetzt zu tun?
    Er fuhr errötend zusammen. Alle Welt wußte also schon davon? Er
antwortete in dem mutigen Tone, der Theophil bereits verstummen
gemacht:
    Schlagen werde ich mich!
    Ah! erwiderte sie überrascht.
    Indes riet sie ihm nicht davon ab. Zwar werde dies den Skandal
nur noch vergrößern, allein die Ehre habe gewisse Anforderungen.
Sie begnügte sich damit, ihn zu erinnern, daß sie seiner Heirat
gleich zu Beginn widerraten habe. Was durfte man besseres erwarten
von einem jungen Mädchen, dem alle Pflichten eines Weibes unbekannt
zu sein schienen?
    Als August sie fragte, wo ihr Mann sei, gab sie ohne Zögern zur
Antwort:
    Er ist verreist.
    Das machte ihn untröstlich, denn er wollte nichts unternehmen,
ohne vorher Duverdy zu befragen… Sie hörte zu, ohne jedoch die neue
Adresse Clarissens zu verraten, denn sie wollte nicht ihre Familie
in ihre ehelichen Zwistigkeiten einweihen. Schließlich fand sie
doch einen Ausweg. Sie riet ihm, zu Herrn Bachelard in die
Enghien-Straße zu gehen; dieser werde ihm vielleicht Aufschluß
geben können. Hierauf wandte sie sich wieder ihrem Flügel zu.
    August bat mich, mit ihm zu kommen, glaubte Theophil, bis jetzt
wortlos, erklären zu müssen. Darf ich dich umarmen, Clotilde? Wir
alle sind im Unglück.
    Sie reichte ihm ihre kalte Wange hin und sprach:
    Mein lieber Junge, wer im Unglück ist, muß selbst
hineingestiegen sein. Ich meinerseits verzeihe aller Welt… Gib acht
auf dich, du scheinst sehr verschnupft.
    Dann rief sie August zurück und bat diesen: Wenn die Sache sich nicht beilegen läßt, verständige
mich, denn ich bin natürlich sehr beunruhigt.
    Der Platzregen von Noten begann wieder herniederzuströmen; die
Flut umwogte sie völlig, und während ihre Finger mechanisch über
die Tasten hinglitten, fuhr sie fort, sehr ernst die »Revue des
Deux-Mondes« zu lesen.
    Unten erwog August einen Augenblick, ob er zu Bachelard gehen
sollte? Sollte er diesem sagen: »Ihre Nichte hat mich
betrogen?«
    Er beschloß endlich, vom Onkel die Adresse Duverdys zu erfahren,
ohne ihm die Geschichte mitzuteilen. Alles war geordnet. Valerie
wollte das Magazin hüten, während Theophil bis zur Rückkehr seines
Bruders das Haus bewachte. August ließ eine Droschke holen und
wollte eben wegfahren, als Saturnin, der einen Augenblick
verschwunden war, plötzlich aus dem Keller heraufrannte, mit einem
großen Küchenmesser herumfuchtelte und rief:
    Ich werde ihn abschlachten! Ich will ihn totmachen!
    Neues Entsetzen. August warf sich erbleichend in die Droschke,
schlug hastig die Türe des Wagens zu und sagte:
    Er hat schon wieder ein Messer. Wo er nur die vielen Messer
hernimmt? Ich bitte dich, Theophil, schicke ihn fort und sorge
dafür, daß er nicht mehr da ist, wenn ich zurückkomme. Das fehlte
mir noch. Als ob ich nicht genug hätte an dem Unglück, das mir
zugestoßen.
    Der Ladendiener hielt den Narren bei den Schultern fest. Valerie
sagte dem Kutscher die Adresse. Doch dieser Kutscher, ein dicker,
sehr schmutziger Mensch mit hochgerötetem Gesichte, noch betrunken
von gestern, tat wie einer, der keine Eile hat; er machte sich den
Sitz auf dem Kutscherbock zurecht und nahm die Zügel in die
Hände.
    Nach der Fahrt, Bürger? frug er mit heiserer
Stimme.
    Nein, nach einer Stunde und rasch dazu. Es gibt ein gutes
Trinkgeld.
    Die Droschke setzte sich in Bewegung. Es war ein alter Landauer,
schwerfällig und schmierig, der in seinen rostigen Federn
bedenklich wackelte. Das Pferd, ein großer, magerer Schimmel, ging
im Schritt mit ungeheurem Kraftaufwande.
    August schaute auf die Uhr; sie zeigte die neunte Stunde. Um elf
Uhr, dachte er, kann das Duell festgelegt sein. Die Langsamkeit des
Wagens ärgerte ihn anfangs. Später übermannte ihn eine matte
Schläfrigkeit; er hatte die ganze Nacht hindurch kein Auge
geschlossen, und dieses elende Fuhrwerk stimmte ihn gar so
traurig.
    Als er sich allein sah, eingewiegt in der Droschke, betäubt
durch das klirrende Geräusch der Fensterscheiben, begann das
Fieber, das ihn vor seiner Familie seit dem Morgen auf den Beinen
erhielt, zu schwinden. Welch blödes Abenteuer! Sein Gesicht ward
grau, er nahm den Kopf, der ihn sehr schmerzte, in die Hände.
    In der Enghien-Straße harrten seiner neue Verdrießlichkeiten;
die Tür Bachelards war mit Hunderten von Warenballen, Kisten und
Rollwagen

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