Der häusliche Herd
derart verrammelt, daß August fast zermalmt wurde. In dem
mit Glas bedeckten Hofe sah er eine Gruppe von Arbeitern, die
beschäftigt waren, die Kisten zu vernageln. Kein einziger konnte
ihm über den Verbleib Bachelards Auskunft geben.
Die Hammerschläge der Arbeiter drohten ihm den Schädel zu
zerschmettern. Er entschloß sich indessen zu warten; da erbarmte
sich seiner ©in Lehrling, der seine leidende Gestalt sah, und
flüsterte ihm ins Ohr: Bei Fräulein Fifi, Markusstraße, im dritten
Stock, wird Vater Bachelard zu finden sein.
Wie sagen Sie? fragte der Kutscher, der
mittlerweile eingeschlafen war.
Markusstraße! und etwas rascher, wenn möglich.
Die Droschke nahm ihren Begräbnistrab wieder auf. Auf dem
Boulevard fuhr er einen Omnibus an; das lederne Wagendach krachte;
die verrosteten Federn ließen ein klägliches Ächzen vernehmen; eine
düstere Trübseligkeit bemächtigte sich immer mehr dieses Gatten auf
der Suche nach einem Duellzeugen. Endlich kam er doch in der
Markusstraße an.
Im dritten Stock öffnete ihm eine kleine, weiße, alte Frau. Sie
schien sehr aufgeregt und ließ ihn sogleich eintreten, als er nach
Bachelard fragte.
Ach, mein Herr, Sie sind sicherlich einer seiner Freunde,
besänftigen Sie ihn doch. Er hat soeben einen argen Verdruß gehabt,
der arme Mann. Sie kennen mich doch, mein Herr; er hat Ihnen
sicherlich schon von mir erzählt: ich bin Fräulein Menü.
August, ganz verblüfft, befand sich in einem schmalen Zimmer,
dessen Fenster auf den Hof ging; das Zimmer zeigte eine wahrhaft
provinzmäßige Sauberkeit und Ruhe. Man fühlte daselbst die Arbeit,
die Ordnung, die Reinlichkeit der glücklichen Existenz von kleinen
Leuten. Vor einem Stickereirahmen, auf dem eine Priesterstola
aufgespannt war, saß ein junges, blondes Mädchen mit keuschem
Antlitz und weinte heiße Tränen, während der Onkel mit roter Nase,
blutunterlaufenen Augen vor ihr stand und vor Wut und Verzweiflung
schäumte. Er war dermaßen verstört, daß der Eintritt Augusts ihn
nicht zu überraschen schien. Er nahm ihn sofort zum Zeugen, und die
Szene ward fortgesetzt.
Hören Sie einmal, Herr Vabre! Sie sind ein rechtschaffener Mann,
was würden Sie an meiner Stelle sagen? Ich komme heute morgen etwas
früher als sonst. Ich trete in ihr Zimmer
ein mit meinem Kaffeezucker und drei Viersousstücken, um ihr eine
Überraschung zu bereiten; und ich finde sie mit diesem Halunken
Gueulin im Bette! … Also, aufrichtig, was sagen Sie dazu?
August kam in arge Verlegenheit und ward ganz rot. Zuerst
glaubte er, daß sein Unglück dem Onkel bekannt sei, und daß dieser
sich über ihn lustig mache. Doch ohne eine Antwort abzuwarten,
fügte der Alte hinzu:
Hören Sie, mein Fräulein, Sie ahnen nicht, was Sie getan haben!
Ich, der ich mich verjüngt habe, der ich so glücklich darüber war,
einen stillen Winkel gefunden zu haben, wo ich wieder an das Glück
zu glauben anfing! … Ja, Sie waren ein Engel, eine Blume,
etwas Frisches, das mich nach so vielen schmutzigen Weibern
tröstete! … Und jetzt finde ich Sie mit diesem Halunken
Gueulin!
Ein aufrichtiger Schmerz schnürte ihm die Kehle zusammen; seine
Stimme brach sich in einem Schluchzen, das zum Teil noch von dem
gestrigen Rausch herrührte. Er beweinte sein verlornes
Ideal …
Ich wußte nicht, Onkel, stammelte Fifi, die angesichts dieses
Jammers noch stärker weinte; ich wußte nicht, daß es Ihnen einen
solchen Kummer verursachen werde.
Sie schien es in der Tat nicht zu wissen. Sie hatte noch immer
ihr züchtiges Antlitz, ihre keuschen Augen, die Einfalt des kleinen
Mädchens, das keinen Unterschied kennt zwischen Mann und Frau. Die
Tante Menu schwor übrigens, daß sie im Grunde unschuldig sei.
Beruhigen Sie sich, Herr Narziß; sie liebt Sie dennoch …
Ich sah wohl voraus, daß es Ihnen nicht angenehm sein werde. Ich
sagte ihr: »Wenn Herr Narziß es erfährt, wird er sehr zürnen.« Aber
das hat ja noch nicht gelebt. Das weiß noch nicht, was Vergnügen
macht und was nicht … Weinen Sie nicht, da doch ihr Herz Ihnen
gehört.
Da weder die Kleine, noch der Oheim sie
hörten, wandte sie sich an August, um ihm zu sagen, wie sehr ein
solches Vorkommnis sie wegen der Zukunft ihrer Nichte beunruhige.
Es sei so schwer, ein junges Mädchen anständig unterzubringen. Sie,
die 30 Jahre in der Stickerei der Brüder Mardienne in der
Sulpiziusstraße gearbeitet habe, wo man auch Erkundigungen über sie
einholen könne, wisse sehr wohl, welche Entbehrungen ein
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