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Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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junges
Mädchen sich auferlegen müsse, wenn es in Paris ehrbar durchkommen
wolle. Wenngleich sie bei ihrem guten Herzen das Kind aus der Hand
ihres eigenen Bruders, des Kapitän Menu, auf dessen Sterbebett
übernommen, sei es ihr bei der spärlichen Leibrente von 1000
Franken, die ihr jetzt gestatte, die Nadel ruhen zu lassen, doch
kaum gelungen, die Kleine zu erhalten. Sie habe denn auch gehofft,
ruhig sterben zu können, als sie das Kind unter Narzissens Schutze
sah. Jetzt sei es damit auch nichts, da Fifi durch solche
Albernheiten ihren Oheim kränke.
    Sie kennen vielleicht Villeneuve bei Lille? sagte sie zum
Schlusse. Ich bin von dort. Es ist ein recht ansehnlicher
Flecken …
    Doch August verlor die Geduld. Er ließ die Tante stehen und
wandte sich an Bachelard, dessen Verzweiflung sich allmählich
legte.
    Ich bin gekommen, um die neue Adresse Duverdys von Ihnen zu
erfahren. Sie müssen sie kennen.
    Die Adresse Duverdys, die Adresse Duverdys … stammelte der
Onkel. Sie wollen sagen: die Adresse Clarissens. Warten Sie,
sofort …
    Er erhob sich und sperrte das Zimmer Fifis auf. August sah zu
seiner Überraschung Gueulin daraus hervorkommen, den der Alte
daselbst eingeschlossen hatte. Er wollte ihm Zeit geben, sich
anzukleiden, und ihn bei der Hand behalten, um sein Schicksal zu entscheiden. Der Anblick des
jungen Mannes mit der verstörten Miene und den ungeordneten Haaren
erregte seinen Zorn von neuem.
    Wie, Elender, du, mein eigener Neffe, entehrst mich? Du
befleckst deine Familie, du ziehst meine weißen Haare in den
Schmutz! Gib acht, du wirst ein schlechtes Ende nehmen! Eines Tages
werden wir dich vor Gericht sehen!
    Mit gesenktem Haupte, verlegen und wütend zugleich, hörte
Gueulin diese Strafpredigt an. Dann entgegnete er:
    Sie gehen zu weit, Onkel: um etwas Mäßigung werde ich bitten!
Die Sache ist auch mir höchst unangenehm!… Warum haben Sie mich zu
dem Fräulein hergeführt? Ich habe es nicht verlangt. Sie haben mich
hierhergezogen; Sie haben alle hergeschleppt.
    Doch Bachelard, von neuem in Tränen gebadet, fuhr fort:
    Du hast mir alles geraubt, denn ich hatte nichts weiter als sie!
Du wirst die Schuld an meinem Tode tragen, und ich werde dir keinen
Sou vermachen; nicht einen Sou!
    Gueulin, außer sich vor Wut, platzte los.
    Lassen Sie mich in Frieden! Ich habe genug! Was habe ich Ihnen
immer gesagt? Die Verdrießlichkeiten des kommenden Tages benehmen
mir alle Lust zu Liebschaften. Da sehen Sie, wie es mir ergangen
ist jetzt, da ich eine Gelegenheit benutzen wollte!… Die Nacht war
sehr angenehm, aber jetzt möchte ich am liebsten aus der Haut
fahren!
    Fifi hatte inzwischen ihre Tränen getrocknet. Da sie nicht lange
müßig sitzen konnte, hatte sie ihre Stickerei wieder zur Hand
genommen und arbeitete fleißig, wobei sie von Zeit zu Zeit mit
ihren großen, klaren Augen die beiden Männer anblickte, deren Zorn
sie nicht zu begreifen schien.
    Ich habe es sehr eilig, wagte August von neuem zu bemerken. Vielleicht sagen Sie mir diese Adresse:
Straße und Hausnummer, nichts weiter.
    Die Adresse? sagte der Oheim. Warten Sie, sogleich!
    Fortgerissen von der überströmenden Rührung, ergriff er die
beiden Hände Gueulins.
    Undankbarer, ich hatte sie für dich bestimmt, auf Ehrenwort! Ich
sagte mir, wenn er sich brav aufführt, will ich ihm sie geben. Und
anständig: mit 50 000 Franken Heiratsgut! Und du Saukerl
wartest nicht; nimmst dir sie im voraus!…
    Ach, schonen Sie meiner, flehte Gueulin, gerührt durch die Güte
des Alten.
    Doch Bachelard führte ihn zu dem jungen Mädchen hin und
fragte:
    Schau ihn an, Fifi; würdest du ihn geliebt haben?
    Wenn es Ihnen Vergnügen machen würde, Onkel, erwiderte sie.
    Diese gute Antwort brachte sein Herz vollends zum Überströmen.
Er wischte sich die Augen, schneuzte sich und schnappte nach Luft.
Gut, wir wollen sehen; ich habe ja immer nur ihr Bestes gewollt.
Dann entließ er Gueulin in einem plötzlichen Entschluß.
    Geh'! Ich will mir die Sache überlegen.
    Inzwischen hatte die Tante Menu August wieder bei Seite gerufen,
um ihm ihre Meinung auseinanderzusetzen. Ein Arbeiter würde sie
geschlagen, ein Beamter ihr Kinder über Kinder gemacht haben. Bei
Herrn Narziß hingegen habe sie die Aussicht, eine Ausstattung zu
erhalten, die ihr ermögliche, sich anständig zu verheiraten. Gott
sei Dank, sie gehöre einer anständigen Familie an; niemals würde
die Tante zugegeben haben, daß ihre Nichte sich schlecht betrage,
von einem Liebhaber dem andern in

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