Der häusliche Herd
nicht
zu fragen wagte, hinzu:
So ein Tropf! dieser Octave!
Nachdem die Herren dermaßen ihr Urteil über den Ehebruch
gesprochen, entstand wieder Stillschweigen. Jeder der drei Männer
war in seine Gedanken versunken. Die Droschke kam nicht vorwärts;
sie schien seit Stunden über eine Brücke hinzurollen. Trublot, der
zuerst aus seiner Träumerei auffuhr, bemerkte:
Der Wagen fährt nicht allzu schnell.
Doch nichts vermochte den Gang des Pferdes zu beschleunigen. Es
war elf Uhr, als man in der Assas-Straße ankam. Hier verlor man
noch eine weitere Viertelstunde. Trublot hatte geprahlt; es zeigte
sich jetzt, daß er das Haustor nicht kannte. Er ließ den Kutscher
bis an das andere Ende der Straße fahren, ohne ihn anzuhalten; dann
ließ er ihn zurückfahren, und so ging es dreimal. Infolge seiner
Weisungen trat August in jedes zehnte Haus ein, um nachzufragen,
doch die Hausmeister erwiderten: »Das gibt's hier nicht!« Endlich
erfuhren sie von einer Obstverkäuferin das richtige Tor. Trublot
blieb in der Droschke; August und Bachelard gingen hinauf.
Clarissens Bruder, der große Lümmel, öffnete ihnen die Türe. Er
hatte eine Zigarette im Munde, deren Rauch er ihnen ins Gesicht
blies, während er sie in den Salon führte. Als sie nach Herrn Duverdy fragten, schaukelte er
sich mit schamloser Miene auf den Beinen und blieb die Antwort
schuldig. Dann verschwand er, um ihn zu holen.
Mitten im Salon, der mit neuer, aber schon fettfleckiger blauer
Seide überzogen war, saß eine Schwester, die kleinere, auf dem
Teppich und kratzte eine Schüssel aus, die sie aus der Küche
gebracht hatte; die andere größere Schwester hieb mit beiden
geschlossenen Fäusten auf ein herrliches Klavier ein, dessen
Schlüssel sie entdeckt hatte.
Beide erhoben den Kopf, als die Herren eintraten, doch ließen
sie sich nicht stören, fuhren vielmehr fort, die Schüssel
auszukratzen und auf das Klavier einzuhauen. So verflossen zehn
Minuten; niemand zeigte sich. Betäubt von dem höllischen Getöse
sahen die Herren einander an, als ein Geheul, das aus dem
Nachbarzimmer kam, sie vollends entsetzte: es war die kranke Tante,
die gereinigt wurde.
Endlich steckte eine alte Weibsperson, Frau Bocquet, Clarissens
Mutter, den Kopf zur Türe herein. Sie steckte in einem so
schmutzigen, schwarzen Kleide, daß sie sich schämte
einzutreten.
Was wünschen die Herren? fragte sie.
Wir wollen Herrn Duverdy sprechen, erwiderte der Oheim
ungeduldig. Melden Sie Herrn August Vabre und Herrn Narziß
Bachelard.
Frau Bocquet schloß die Türe wieder. Die ältere Schwester war
mittlerweile auf einen Schemel gestiegen und bearbeitete das
Klavier mit den Ellbogen, während die kleinere bemüht war, mit
Hilfe einer eisernen Gabel den letzten Rest der an der Schüssel
klebengebliebenen Speise wegzukratzen. So verflossen weitere fünf
Minuten. Endlich erschien mitten in diesem Getöse Clarisse.
Sie sind's? sagte sie zu Bachelard, ohne August zu beachten.
Der Onkel war höchlich überrascht. Sie war
so dick geworden, daß er sie kaum wiedererkannte. Die große
schwarze Person von ehemals, so mager wie ein Bürschchen und
frisiert wie ein Pudel, war ein »molliges« rundes Weibchen geworden
mit von Pomade funkelndem, glattem Haar. Sie ließ ihn übrigens
nicht zu Worte kommen, sondern erklärte ihm rundheraus, daß sie auf
die Besuche eines alten Wüstlings seiner Art verzichte, der ihrem
Alphons scheußliche Dinge erzähle; ja, er habe ihm erzählt, daß sie
mit allen seinen Freunden schlafe. Er solle nicht leugnen, denn sie
habe es von Alphons selbst gehört.
Ja, mein Alter, fügte sie hinzu; wenn Sie gekommen sind, um zu
schwelgen, so können Sie nur gleich wieder die Klinke in die Hand
nehmen. Es ist aus mit der früheren Lebensweise; ich will jetzt
geachtet sein. Damit verbreitete sie sich über ihre Leidenschaft
für das Anständige, die bei ihr schon zur fixen Idee geworden war.
So hatte sie einen nach dem andern von den Gästen ihres Liebhabers
vertrieben; sie hatte wirkliche Anfälle von Strenge, verbot, daß
man bei ihr rauche, verlangte, daß man sie »gnädige Frau« nenne und
ihr Besuche mache. Ihre oberflächliche, erborgte Drolligkeit von
ehemals war verschwunden; sie bewahrte nur noch die übertriebene
Rolle einer großen Dame, die von Zeit zu Zeit in einem herben Wort
oder einer dirnenmäßigen Gebärde unterging. Allmählich ward es
wieder still um Duverdy her; aus war's mit der amüsanten
Zufluchtsstätte; es war ein Haus der dürrsten
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