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Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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liege er auf der Lauer, doch rühre sich nichts. Um zwei Uhr sei
Valerie mit ihrem Sohn Canaille in den Tuileriengarten gegangen.
Gegen halb vier Uhr habe er Octave ausgehen sehen. Weiter nichts;
bei den Josserand rege sich nichts. Saturnin, der zuerst seine
Schwester unter den Möbeln gesucht habe, sei später hinaufgegangen,
um sie bei seinen Eltern zu suchen; allein Madame Josserand habe,
um sich seiner zu entledigen, ihm die Türe vor der Nase
zugeschlagen und gesagt, daß Berta nicht bei ihnen sei. Seither
schleiche der Narr mit zusammengepreßten Zähnen umher.
    Gut, sagte Bachelard. Wir werden den Herrn erwarten; er muß doch
nach Hause kommen.
    August machte verzweifelte Anstrengungen, um sich auf den Beinen
zu erhalten. Duverdy riet ihm, zu Bett zu gehen; es gebe nichts
Besseres gegen die Migräne.
    Gehen Sie nur hinauf, wir bedürfen Ihrer nicht mehr. Man wird
Ihnen das Ergebnis schon mitteilen. Mein Lieber, die Aufregungen
tun Ihnen nicht gut.
    Der Gatte ging hinauf, um sich schlafen zu legen.
    Die beiden anderen warteten um fünf Uhr noch immer auf Octave.
Dieser war anfangs ohne bestimmtes Ziel, nur um frische Luft zu
schöpfen und die Katastrophe der Nacht zu vergessen, ausgegangen.
Er kam vor dem Geschäfte »Zum Paradies der Damen« vorüber und
grüßte Frau Hédouin, die in tiefe Trauer gekleidet auf der Schwelle
stand.
    Er erzählte ihr, daß er bei den Vabre ausgetreten sei; darauf
fragte sie ihn ganz ruhig, warum er nicht wieder bei ihr eintreten
wolle? Sie einigten sich sofort, ohne viel zu überlegen. Er grüßte
von neuem, versprach, am folgenden Tage einzutreten, und setzte
dann seinen Spaziergang fort, von einer
unbestimmten Reue erfüllt. Der Zufall kreuzte stets seine
Berechnungen. In allerlei Pläne versunken, schlenderte er so seit
etwa einer Stunde im Stadtviertel herum, als er den Kopf erhebend,
wahrnahm, daß er sich in der dunklen Rochus-Gasse befand. Da sah er
im dunkelsten Winkel der Gasse vor der Türe eines Wirtshauses von
sehr zweideutigem Aussehen Valerie von einem bärtigen Herrn sich
verabschieden.
    Sie errötete und eilte davon. Als sie sah, daß der junge Mann
ihr lächelnd folgte, zog sie es vor, ihn unter der Wölbung der
Kirchenpforte zu erwarten. Hier plauderten sie vertraulich.
    Sie fliehen mich? fragte er. Zürnen Sie mir denn?
    Weshalb sollte ich Ihnen zürnen? sagte sie… Die Leute könnten
sich auffressen untereinander; mir ist das ganz gleich.
    Sie sprach von ihrer Familie und erledigte sich ihres alten
Ingrimmes gegen Berta zuerst durch Anspielungen, indem sie dem
jungen Mann gleichsam den Puls fühlte. Als sie fand, daß er seiner
Geliebten überdrüssig sei und noch ganz erbittert über das
Geschehnis der letzten Nacht, tat sie sich keinen Zwang mehr an und
erleichterte ihr Herz.
    Sollte man es glauben: dieses Weib habe gewagt, ihr zu sagen,
daß sie sich verkaufe! Sie, die niemals einen Sou annehme, nicht
einmal ein Geschenk, höchstens Blumen, ein Veilchenbukett! Jetzt
zeige es sich, welche von beiden sich verkaufe! Sie habe es ihr
vorausgesagt, man werde eines Tages schon sehen, wieviel man es
sich kosten lassen müsse, um sie zu haben!
    Es hat Ihnen wohl mehr gekostet als ein Veilchenbukett? fragte
sie ihn.
    Ja, gewiß! antwortete er feige genug.
    Dann erzählte er seinerseits allerlei unangenehme
Dinge über Berta. Er nannte sie boshaft,
fand sie zu fett, wie um sich für allen Verdruß zu rächen, den sie
ihm verursacht hatte. Er habe den ganzen Tag die Zeugen des Gatten
erwartet, erzählte er; und jetzt werde er nach Hause zurückkehren,
um wieder nachzusehen, ob niemand gekommen sei. Ein blödes
Abenteuer! Ein Duell, das sie ihm wahrhaftig habe ersparen können.
Schließlich erzählte er sogar ihr Zusammentreffen, das einen so
kläglichen Verlauf genommen, ihren Streit, und wie der Gatte
gekommen sei, bevor sie einander auch nur umarmt hätten.
    Bei dem Heiligsten schwöre ich Ihnen: es war noch nicht das
Geringste zwischen uns vorgefallen.
    Valerie lachte; die Geschichte erheiterte sie sehr. Sie überließ
sich der heiklen Intimität dieser Vertraulichkeiten und näherte
sich Octave wie einer Freundin, die alles wisse. Von Zeit zu Zeit
wurden sie durch eine fromme Gläubige gestört, die sich aus der
Kirche entfernte, dann fiel die Türe wieder zu, und sie standen in
dem aus schweren grünen Vorhängen hergestellten Windfang wie an
einem geheimen, sichern Zufluchtsort.
    Ich weiß nicht, weshalb ich länger unter diesen Leuten lebe,
fuhr sie fort,

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