Der häusliche Herd
Spießbürgerlichkeit,
wo der Rat die ganze tödliche Langweile seiner eigenen Häuslichkeit
wiederfand und dazu den Schmutz und das Getöse.
Wir sind nicht Ihretwegen gekommen, sagte Bachelard gefaßt; wir
müssen Duverdy sprechen.
Jetzt betrachtete Clarisse auch den andern Herrn. Sie glaubte in
ihm einen Gerichtsboten zu erkennen, denn sie wußte, daß Duverdy sich in letzter Zeit in sehr
häßliche Dinge einließ.
Ei was, ich mache mir gar nichts daraus! rief sie. Nehmen Sie
ihn hin und behalten Sie ihn… Ich verzichte gern auf das Vergnügen,
ihm seine Warzen zu pflegen.
Sie gab sich nicht einmal die Mühe, ihren Ekel zu verbergen; sie
wußte übrigens, daß ihre Grausamkeiten ihn nur noch fester an sie
knüpften.
Sie öffnete eine Türe und rief hinein:
Komm nur, die Herren wollen durchaus mit dir sprechen.
Duverdy, der – wie es schien – hinter der Türe gelauert hatte,
trat ein und drückte den Herren die Hände, wobei er zu lächeln
versuchte. Er hatte nicht mehr das jugendliche Aussehen von
ehemals, wenn er seine Abende bei ihr in der Kirschstraße
zubrachte; eine Mattigkeit drückte ihn nieder; er war mürrisch und
»eingegangen«; von Zeit zu Zeit fuhr er zusammen, wie beunruhigt
durch hinter ihm liegende, unsichtbare Dinge.
Clarisse blieb da, um zuzuhören. Bachelard, der in ihrer
Gegenwart nicht reden wollte, lud den Rat ein, mit ihnen zu
frühstücken.
Nehmen Sie an, Herr Vabre bedarf Ihrer; die Gnädige wird es
Ihnen erlauben…
Diese hatte endlich doch bemerkt, daß ihre Schwester das Klavier
mit den Ellbogen bearbeitete; sie eilte hinzu, versetzte ihr einige
Püffe und stieß sie hinaus; und weil sie schon dabei war, ohrfeigte
sie auch die kleinere und warf sie samt der Schüssel hinaus. Es war
ein wahrer Hexensabbat. Dazwischen brüllte die kranke Tante, die
glaubte, daß nun sie an der Reihe sei, Prügel zu bekommen.
Hörst du, mein Schätzchen, sagte Duverdy, die Herren laden mich
ein.
Sie hörte ihn nicht, sondern betastete mit
ängstlicher Zärtlichkeit das Instrument.
Seit einem Monat lernte sie nämlich Klavier spielen. Es war der
uneingestandene Traum ihres ganzen Lebens, ein fernliegender
Ehrgeiz, dessen Verwirklichung allein – wie sie glaubte – genügen
mußte, sie zu einer Weltdame zu machen.
Als sie sich überzeugt hatte, daß am Klavier nichts zerbrochen
sei, ging sie zu den Herren, um Duverdy zurückzuhalten, bloß um ihm
unangenehm zu sein. Da steckte Frau Bocquet den Kopf wieder zur
Türe herein:
Dein Klaviermeister ist da, sagte sie.
Das änderte mit einem Schlage ihren Entschluß, und sie rief
Duverdy zu:
Ja, geh' nur!… Ich werde mit Theodor frühstücken. Wir bedürfen
deiner nicht.
Der Klaviermeister Theodor war ein Belgier mit breitem, rosigem
Gesichte. Sie setzte sich sofort ans Klavier; er legte ihr die
Finger auf die Tasten und rieb sie, um sie gelenkiger zu
machen.
Duverdy zögerte einen Augenblick sichtlich verdrossen. Doch die
Herren warteten auf ihn; er ging daher seine Schuhe anziehen. Als
er zurückkam, plätscherte sie schon in den Skalen umher und
entfesselte ein solches Ungewitter von falschen Tönen, daß August
und Bachelard krank davon wurden.
Er aber, den Mozart und Beethoven verrückt machten, wenn seine
Frau sie spielte, stand eine Weile hinter seiner Geliebten und
schien – trotz des nervösen Zuckens in seinem Gesichte – sich an
den Tönen zu ergötzen. Dann meinte er zu den anderen:
Sie hat erstaunliche Talente.
Er küßte sie auf die Haare und zog sich leise zurück, sie mit
Theodor allein lassend. Im Vorzimmer stand der Straßenjunge von
einem Bruder mit seiner frechen Miene und
verlangte von ihm 20 Sous für Tabak. Während sie hinabgingen,
konnte Bachelard nicht umhin, sein Erstaunen darüber auszudrücken,
wie sehr der Geschmack des Herrn Duverdy in bezug auf das Klavier
sich geändert habe. Doch Duverdy widersprach und schwor, daß er
auch früher ein Freund des Klavierspiels gewesen sei; und er sprach
vom Ideal und wie die einfachen Skalen Clarissens hinreichten,
seine ganze Seele zu bewegen.
Der Onkel wollte durchaus zu Foyot frühstücken gehen; es sei
jetzt die rechte Stunde, meinte er, und man werde während des
Essens besser plaudern können. Als die Droschke sich in Bewegung
setzte, unterrichtete er Herrn Duverdy, um was es sich handle. Der
Rat ward sehr ernst. August, dessen Unbehagen bei Clarisse nur noch
gestiegen war, saß, gebrochen durch die endlose Fahrt, den kranken
Kopf auf die Hände gestützt,
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