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Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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bin
übrigens in heiratsfähigem Alter und darf schon wissen…
    Verdier, nicht wahr? sagte die Mutter mit Bitterkeit. Das ist
der Lohn, den du mir in Aussicht stellst… Jetzt wartest du auf den
Tod eines Fratzen. Du kannst warten; er ist groß und stark, wie man
mir sagt. Er ist gut gemacht.
    Eine Flut von Galle färbte das magere Gesicht des Mädchens gelb.
Sie erwiderte zähneknirschend:
    Wenn er groß und stark ist, kann Verdier ihn
laufen lassen; und er wird ihn laufen lassen früher, als man
glaubt; das werde ich euch allen zeigen… Ja, ja; ich werde mich
schon verheiraten, ganz allein. Deine Partien sind gar zu
wackelig!
    Ihre Mutter kam drohend auf sie zu. Sie aber bemerkte ruhig:
    Mich ohrfeigt man nicht; das wirst du wohl wissen. Nimm dich in
acht!
    Sie sahen einander fest an, und Frau Josserand trat mit einer
Miene geringschätziger Hoheit zuerst den Rückzug an. Doch der Vater
glaubte, daß die Schlacht wieder angehen solle. Als er die drei
Frauen sah, die Mutter und die Töchter, alles, was er jemals
geliebt hatte, wie sie im Begriffe waren, einander aufzufressen,
glaubte er, daß die ganze Welt einstürze. Er flüchtete in den
Hintergrund des Zimmers, wie zu Tode getroffen und den Tod
herbeisehnend. Unter schwerem Schluchzen sagte er ein und das
andere Mal:
    Ich trage es nicht länger… Ich trage es nicht länger…
    Das Speisezimmer verfiel wieder in die frühere Stille. Berta,
die Wange auf dem Arm gestützt, noch immer von nervösen Seufzern
geschüttelt, beruhigte sich allmählich. Hortense saß ruhig auf der
andern Seite des Tisches und strich einen Rest der Butter auf eine
Brotschnitte, um sich zu stärken. Dann brachte sie ihre Schwester
durch allerlei traurige Betrachtungen vollends zur Verzweiflung. Es
sei nicht mehr auszuhalten in diesem Hause; an ihrer Stelle werde
sie lieber von ihrem Manne Ohrfeigen annehmen als von ihrer Mutter,
denn ersteres sei natürlicher; sie werde, wenn sie einmal Frau
Verdier heiße, ihrer Mutter einfach die Tür weisen, um nicht in
ihrem Hausstande ähnliche Szenen zu haben. In diesem Augenblick kam
Adele, um die Tafel abzuräumen. Allein Hortense ließ sich nicht
stören; sie sagte, man werde das Haus
verlassen müssen, wenn dergleichen wieder vorkommen sollte. Die
Magd war ihrer Meinung. Sie habe das Küchenfenster schließen
müssen, sagte sie, denn Lisa und Julie hätten schon die Ohren
gespitzt. Übrigens sei die Geschichte recht drollig, sie müsse noch
immer darüber lachen; Frau Berta scheine »eine ausgiebige gefaßt zu
haben«. Dann wieder sprach sie ein Wort voll tiefer Philosophie:
Alles in allem kümmere sich das Haus blutwenig um die ganze
Geschichte; man müsse ja leben; in acht Tagen werde man die Gnädige
und die beiden Herren völlig vergessen haben.
    Ein dumpfes Geräusch und ein Zittern des Fußbodens erregte in
diesem Augenblicke die Aufmerksamkeit der Frauen.
    Berta erhob unruhig den Kopf.
    Was ist das? fragte sie.
    Vielleicht gnädige Frau und die andere Dame, die im Salon
wartet, sagte Adele.
    Frau Josserand hatte einen Luftsprung vor Überraschung gemacht,
als sie den Salon durchschreitend eine einsame Dame daselbst
bemerkte.
    Wie, Sie sind es noch immer? schrie sie, als sie Frau
Dambreville erkannte, die sie völlig vergessen hatte.
    Diese rührte sich nicht. Die Streitigkeiten der Familie, das
Geräusch der Stimmen, das Zuschlagen der Türen – all das schien
spurlos über sie hinweggegangen zu sein. Unbeweglich in die Luft
starrend, hatte sie in ihre Liebesraserei versunken dagesessen.
Doch vollzog sich in ihr eine Gedankenarbeit; sie beschäftigte sich
sehr eingehend mit den Ratschlägen der Mutter und entschloß sich
endlich, einige Reste ihres Glückes teuer zu erkaufen.
    Sie können doch hier nicht übernachten! schrie Frau Josserand
grob. Mein Sohn hat mir geschrieben, wir sollten ihn heute nicht
mehr erwarten.
    Ich gehe schon, entschuldigen Sie, stammelte
Frau Dambreville, wie aus einem Traume erwachend. Sagen Sie ihm,
daß ich die Sache überlegt habe, und daß ich einwillige… Ja, ich
werde mir sie noch weiter überlegen und ihm vielleicht dieses
Mädchen zur Frau geben, wenn es sein muß… Aber ich gebe sie ihm und
will, daß er sie von mir verlange, von mir allein, hören Sie?… Er
möge kommen, er möge nur kommen!
    So sprach sie mit flehender Stimme. Dann fügte sie leiser hinzu
mit der eigensinnigen Miene einer Frau, die, nachdem sie alles
geopfert, sich an eine letzte Genugtuung klammert:
    Er soll sie heiraten, aber

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