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Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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müssen, auf daß nur der Skandal ein Ende habe, der die Familie
mit Schande bedecke. Dann fuhr sie in ernstem Tone fort:
    Erinnere dich doch, was du versprochen, Narziß… Es war am Abend
der Vertragsunterzeichnung; du schlugst dir auf die Brust und
beteuertest, Berta werde auf das Herz ihres Oheims zählen können.
Wo ist nun dieses Herz? Die Zeit ist gekommen, um es auch zu
zeigen. Mann, unterstütze doch meine Worte, zeige ihm seine Pflicht
und Schuldigkeit, wenn deine Schwäche es gestattet.
    Trotz seines tiefen Widerwillens, nur aus Zärtlichkeit für seine
Tochter, stöhnte auch der Vater:
    Freilich, Sie haben es versprochen, Bachelard. Ehe
ich ins Grab steige, erweisen Sie mir den
Gefallen, sich gebührlich und anständig zu benehmen.
    Allein Berta und Hortense hatten dem Onkel zu oft das Glas
gefüllt in der Hoffnung, ihn umso leichter erweichen zu können.
Dadurch geriet er in einen Zustand, in dem man selbst keinen
Mißbrauch mehr mit ihm treiben konnte.
    Wie? Was? stotterte er, ohne seinen Rausch übertreiben zu
müssen. Nie versprochen… Kein Wort verstanden. Sag's doch nochmal,
Eleonore.
    Eleonore begann aufs neue, ihn zu beschwören; sie ließ ihn durch
die weinende Berta umarmen, bat ihn um der Gesundheit ihres Mannes
willen und bewies, daß er nur eine heilige Pflicht erfülle, wenn er
die 50 000 Franken hergebe.
    Als er jedoch wieder einschlief, nicht im mindesten gerührt
durch den Anblick des Kranken und dieses schmerzerfüllten Gemaches,
brach sie, von Zorn entbrannt, in heftige Worte aus.
    So! Das geht schon zu weit ›Narziß‹! Du bist eine Kanaille, ich
kenne alle deine Unflätigkeiten! Hast du nicht erst kürzlich deine
Geliebte mit Gueulin verheiratet und ihnen 50 000 Franken
gegeben: gerade die Summe, die du uns versprochen hattest?… Das ist
recht hübsch, und der artige Gueulin spielt darin eine recht nette
Rolle! Du bist noch viel schmutziger und niederträchtiger, du
entziehst das Brot unserm Munde und schändest dein Vermögen. Ja, du
schändest es, indem du um jener Dirne willen uns das Geld stahlst,
das doch uns gehört hat.
    Nie hatte sie sich bisher so weit verstiegen. Hortense, durch
diese Worte geniert, beschäftigte sich mit der Medizin ihres
Vaters, um nur etwas zu tun zu haben. Josserand, dessen Fieber
durch diese Szene nur noch gesteigert wurde, wälzte sich unruhig
auf seinen Kissen und wiederholte mit zitternder Stimme:
    Ich bitte dich, Eleonore, schweig doch, er
wird nichts geben … Wenn du ihm solche Dinge sagen willst,
führe ihn aus dem Zimmer, damit ich euch nicht höre.
    Berta, die jetzt noch heftiger schluchzte, unterstützte die
Bitte ihres Vaters.
    Genug, Mama, schweig doch dem Vater zuliebe … 0 Gott, wie
unglücklich macht mich das Bewußtsein, diesen Zwist verursacht zu
haben! Ich will lieber fort in die Welt hinaus gehen und irgendwo
sterben.
    Frau Josserand aber stellte an den Onkel die bündige Frage:
    Willst du die 50 000 Franken hergeben, damit deine Nichte
wieder erhobenen Hauptes sich zeigen kann, ja oder nein?
    Er war bestürzt und fing an, sich in Erklärungen
einzulassen.
    So höre doch mal: ich fand Gueulin mit Fifi beisammen. Was war
zu tun? Ich mußte sie verheiraten … Das ist nicht meine
Schuld.
    Willst du die Mitgift ausfolgen, die du versprochen, ja oder
nein? kreischte sie vor Wut.
    Er stammelte, sein Rausch hatte sich so weit verschlimmert, daß
er keine Worte mehr fand.
    Kann's nicht, auf Ehr' und Treu'! … Bin vollkommen
ruiniert! … Sonst tät' ich's gern, und zwar sogleich …
Bin seelengut, weißt es ja.
    Sie unterbrach ihn mit einer fürchterlichen Handbewegung.
    Gut denn, ich werde einen Familienrat zusammenberufen und die
Ächtung über dich verhängen lassen. Wenn die Oheime Schlemmer
werden, schickt man sie in das Spital.
    Diese Worte riefen in Bachelards Gemüt eine stürmische Bewegung
hervor. Er betrachtete das Zimmer und fand es düster und traurig mit seiner matten Lampe; dann
blickte er auf den Sterbenden, der, gestützt durch seine Töchter,
einen Löffel voll schwarzen Saftes verschluckte: sein Herz schien
überzuströmen, er begann zu schluchzen und warf seiner Schwester
vor, daß sie ihn niemals verstanden habe. Habe ihn Gueulins Verrat
nicht schon unglücklich genug gemacht? Man wisse – fügte er hinzu –
daß er weichherzig sei, und es sei unrecht, ihn zum Essen zu laden,
um ihm dann soviel Kummer zu verursachen. Schließlich bot er seiner
Schwester statt der 50 000 Franken all sein Herzblut

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