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Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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»Paradies der Damen«.
Er besuchte niemanden mehr, weder die Campardon, noch die Duverdy,
die über seine Liebeshändel entrüstet waren. Selbst Herr Gourd tat,
wenn er ihm begegnete, als erkenne er ihn nicht, um ihn nicht
grüßen zu müssen. Nur Marie und Frau Juzeur traten, wenn sie ihm
begegneten, mit ihm unter ein Haustor, um ein Weilchen zu plaudern.
Frau Juzeur, die ihn mit leidenschaftlicher Neugierde über Frau
Hédouin ausfragte, hätte gewünscht, daß er sie besuche, um
gemütlich darüber reden zu können. Marie, trostlos darüber, daß sie
wieder schwanger war, erzählte ihm, wie
bestürzt Julius und wie erglimmt ihre Eltern seien. Als später das
Gerücht von seiner Heirat immer ernstlicher auftrat, sah er zu
seiner Überraschung, daß Herr Gourd ihn sehr untertänig grüßte.
Campardon, ohne sich vollends auszusöhnen, nickte ihm über die
Straße einen Gruß hinüber; Duverdy aber, der eines Abends
Handschuhe kaufen kam, war sehr freundlich zu ihm. Das ganze Haus
begann zu verzeihen.
    Im Hause ging es übrigens wieder spießbürgerlich ehrbar her wie
zuvor. Hinter den Mahagonitüren lagen wieder ganze Abgründe von
Tugend. Der Herr vom dritten Stockwerke kam regelmäßig einmal in
der Woche, um eine Nacht zu arbeiten. Die andere Frau Campardon
ging in der Strenge ihrer Grundsätze einher; die Mägde trugen ihre
blendend weißen Schürzen, und in der lauen, feierlichen Stille des
Treppenhauses vernahm man nichts als die Klänge der Klaviere in den
verschiedenen Stockwerken.
    Das Unbehagen nach dem Ehebruche bestand indessen fort, unfaßbar
für die Leute ohne Erziehung, unangenehm für die Leute von zarter
Sittlichkeit. August beharrte bei seiner Weigerung, die Frau
zurückzunehmen; solange Berta bei ihren Eltern wohnte, war der
Skandal nicht ausgelöscht, und es blieb eine deutliche Spur davon
zurück. Übrigens erzählte kein Einwohner des Hauses öffentlich den
wahren Sachverhalt, der ja alle Welt geniert hätte. Ohne sich
vorher verständigt zu haben, sagten alle gleichmäßig, daß die
Zwistigkeiten zwischen August und seiner Frau von den 10 000
Franken herstammen, daß es sich also einfach um eine Geldfrage
handle: das war anständiger. Nunmehr konnte man von der Sache auch
vor jungen Mädchen reden. Werden die Eltern bezahlen oder werden
sie nicht bezahlen? – auf diese Frage spitzte sich jetzt die Sache
zu. Sie gestaltete sich ganz einfach: kein Bewohner des
Stadtviertels war erstaunt oder entrüstet,
daß eine Geldfrage in einer Familie Ohrfeigen herbeiführen könne.
Diese übereinstimmende Schonung hinderte indes nicht, daß die ganze
Sache vorhanden war, und das scheinbar ruhige Haus litt dennoch
grausam durch dieses Unglück.
    Duverdy als Eigentümer des Hauses war es vor allem, der die Last
dieses unverdienten und fortdauernden Unglücks zu tragen hatte.
Seit einiger Zeit marterte ihn Clarisse dermaßen, daß er seinen
Schmerz am Busen seiner Frau ausweinte. Der Skandal des Ehebruchs
hatte auch ihn selbst im Herzen getroffen; die Vorübergehenden,
klagte er, betrachteten das Haus geringschätzig von oben bis unten,
dieses Haus, das sein Schwiegervater und er mit allen häuslichen
Tugenden zu schmücken bestrebt waren; das dürfe nicht länger so
dauern; seine persönliche Würde erheische, sagte er, daß das Haus
gesäubert werde. Darum drängte er »im Namen der öffentlichen Moral«
August zu einer Aussöhnung. Unglücklicherweise leistete dieser
Widerstand, aufgestachelt durch Theophil und Valerie, die, entzückt
über den Niedergang des Hauses, sich dauernd an der Kasse
festsetzten. Da die Geschäfte der Lyoner Fabrik eine schlimme
Wendung nahmen und die Seidenwarenhandlung wegen Mangels an Kredit
zusammenzubrechen drohte, faßte Duverdy einen praktischen
Entschluß, den er seinem Schwager August in folgendem
auseinandersetzte: Die Josserand wünschen ohne Zweifel lebhaft,
sich ihrer Tochter zu entledigen. Man möge ihnen den Antrag
stellen, daß August sie zurücknehmen werde, aber unter der
Bedingung, daß ihre Eltern die versprochene Mitgift von 50 000
Franken bezahlen. Vielleicht werde der Onkel Bachelard auf ihre
dringenden Bitten sich dennoch herbeilassen, die Summe zu
entrichten. August weigerte sich anfangs entschieden, auf diesen
Plan einzugehen; noch mit 100 000 Franken sei er betrogen,
sagte er. Später aber, da er wegen der
Aprilzahlungen besorgt war, fügte er sich den Gründen des Rates,
der von Moral sprach und von der Notwendigkeit, ein gutes Werk zu
tun.
    Als

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