Der häusliche Herd
allein, in dieser Lake, mit etwas Klebrigem zwischen den
Schenkeln, womit sie nichts anzufangen wußte. Es gab Ärzte für die
Hunde, aber es gab keinen für sie. Krepiere du mit samt deinem
Balge! Sie erinnerte sich, hilfreiche Hand angelegt zu haben, als
Frau Pichon niederkam. Was ward da nicht für eine große Vorsicht
angewendet, daß der kleinen Frau kein Leid geschehe. Das Kind
winselte nicht mehr; sie streckte suchend die Hand aus und
begegnete einem Darm, der ihr aus dem Bauche hervorkam; und sie
erinnerte sich gesehen zu haben, wie das zusammengeknüpft und
abgeschnitten wurde. Ihre Augen gewöhnten sich an die Dunkelheit;
der Mond warf ein schwaches Licht in die Kammer. Halb tastend, halb
von einem Instinkt geleitet besorgte sie, ohne sich zu erheben,
eine langwierige und mühselige Verrichtung, nahm von der Wand
hinter ihrem Kopf eine Schürze, riß eine Schnur ab, umwickelte den
Darm und schnitt ihn mit einer Schere ab, die sie aus der Tasche
ihres Kleides nahm. In Schweiß gebadet,
sank sie wieder hin. Das arme Würmchen! … Fürwahr, sie dachte
nicht daran, es zu töten.
Doch die Leibschmerzen dauerten fort; es war wie etwas, das sie
noch drückte und durch Krämpfe hinausgedrängt wurde. Sie zog an dem
Darm, zuerst sachte, dann sehr stark. Die Bürde löste sich, ein
Bündel fiel heraus, dessen sie sich entledigte, indem sie es in den
Topf warf. Jetzt war es, Gott sei gedankt, zu Ende; sie litt nicht
mehr; nur warmes Blut rann ihre Beine entlang.
Sie schien fast eine Stunde geschlafen zu haben.
Es schlug sechs Uhr, als das Bewußtsein ihrer Lage sie erweckte.
Der Mond erhellte mit seinem kalten Lichte das Zimmerchen. Sie
erhob sich mühsam, wickelte das Kind in alte Leinenfetzen und dann
in zwei Zeitungsblätter. Das neugeborene Kind schwieg, das kleine
Herzchen schlug noch. Da sie vergessen hatte nachzusehen, ob es ein
Knabe oder ein Mädchen sei, öffnete sie das Paket noch einmal. Es
war ein Mädchen. Wieder eine Unglückliche! Fleisch für einen
Kutscher oder für einen Kammerdiener, wie diese Luise, die man
unter einem Haustor gefunden! Keine Magd rührte sich noch; sie
konnte unbemerkt hinuntergehen und das Kind in der Passage Choiseul
niederlegen. Dann ging sie wieder hinauf. Sie war niemandem
begegnet; endlich war ihr das Glück im Leben einmal günstig.
Sie brachte das Zimmer in Ordnung, verwischte die Spuren und
legte sich dann erschöpft, totenbleich, noch immer blutend ins
Bett.
So fand sie Frau Josserand, als sie endlich um neun Uhr
überrascht, sie noch immer nicht herabkommen zu sehen, sich
entschloß, hinaufzugehen. Die Magd klagte über einen entsetzlichen
Durchfall, der sie die ganze Nacht gequält habe.
Sie werden wieder zuviel gegessen haben! rief Frau Josserand aus. Sie denken ja nur daran, sich den
Bauch zu füllen.
Beunruhigt durch die Blässe der Magd, sprach sie indessen davon,
den Arzt holen zu lassen. Doch als die Magd versicherte, nur der
Ruhe zu bedürfen, gab sie diese Absicht sogleich wieder auf, froh
darüber, die drei Franken zu ersparen. Seit dem Tode ihres Gatten
lebte sie mit Hortense von einer Pension, welche die Brüder
Bernheim ihr ausgesetzt hatten, was sie nicht hinderte, diese
Herren als Ausbeuter zu behandeln. Sie führte jetzt eine noch
schmälere Küche als früher, um ihre Wohnung und ihre Dienstage
behalten zu können.
Ja, schlafen Sie, das wird Ihnen gut tun, sagte sie der Magd.
Wir haben kaltes Rindfleisch zum Frühstück, und abends speisen wir
auswärts. Wenn Sie nicht hinabgehen können, um Julie zu helfen,
wird sie eben suchen müssen, ohne Sie fertig zu werden.
Das Essen bei den Duverdy verlief in recht heiterer Stimmung.
Die ganze Familie war versammelt: die beiden Vabreschen Ehepaare,
Frau Josserand, Hortense, Leo, selbst der Oheim Bachelard, der sich
ganz anständig benahm. Auch Trublot war da und Frau Dambreville,
die man eingeladen hatte, um sie von Leo nicht zu trennen. Dieser
war, nachdem er die Nichte geheiratet, wieder in das Netz der Tante
geraten, die er noch nicht entbehren konnte. In allen Salons
erschienen sie zusammen; sie entschuldigten die junge Frau bald mit
einem Schnupfen, bald mit einer kleinen Trägheit. Bei Tische
beklagte sich die ganze Gesellschaft, daß man die junge Frau kaum
noch kenne; man liebe sie so sehr, sie sei so schön. Dann sprach
man von dem Chor, den Clotilde zum Schlüsse der Unterhaltung singen
lassen werde. Es sollte wieder die »Schwerterweihe« zum Vortrag
kommen, aber diesmal mit fünf
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