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Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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daß er seinen Priesterberuf vielleicht
schlecht erfülle.
    O, Herr, ist die Zeit schon gekommen, die
Wunden dieser verderbten Welt nicht mehr mit dem Mantel der
Religion zu verhüllen? Sollte er den Heucheleien seiner Herde nicht
mehr Vorschub leisten? Sollte er nicht mehr der Zeremonienmeister
sein, der die schöne Ordnung der Torheiten und Laster zu regeln
hat? Sollte er alles zugrunde gehen lassen auf die Gefahr hin, daß
die Kirche selbst durch die Trümmer verschüttet werde? Ja, das war
ohne Zweifel das Gebot Gottes; denn die Kraft, weiter zu schreiten
durch den Jammer der Menschheit, verließ ihn bereits, und er mußte
schier sterben vor Abscheu und Ohnmacht. Die Schändlichkeiten, die
er seit dem Morgen gefunden, bedrückten ihm das Gemüt. Er bat, die
Hände inbrünstig gefaltet, um Vergebung; um Vergebung für seine
Lügen, um Vergebung für seine feigen Gefälligkeiten, für dieses
schändliche Durcheinander der Gesellschaft. Die Furcht vor Gott
ergriff ihn im Grunde seiner Seele; er sah, wie Gott ihn
verleugnete und ihm verbot, mit seinem Namen weiter Mißbrauch zu
treiben; es war ein Gott des Zornes, entschlossen, das sündhafte
Volk endlich zu vertilgen. Alle Duldsamkeit des Weltmannes
verschwand unter den entfesselten Bedenken des Gewissens, und
nichts blieb übrig, als der Glaube des Gläubigen, der sich
angstvoll wand in der Ungewißheit des ewigen Heils. O Herr! welchen
Weg soll man einschlagen inmitten dieser untergehenden
Gesellschaft, die verfault ist bis in ihre Priester?
    Der Abbé brach, die Augen auf die Kalvaria gerichtet, in ein
Schluchzen aus. Er weinte wie Maria und Magdalena, er beweinte die
gestorbene Wahrheit, den leeren Himmel. Der große Christus aus Gips
inmitten des Marmorprunkes und der Goldverzierungen hatte nicht
einen Tropfen Blutes mehr.

Kapitel 18
     
    Im Dezember, dem achten Monat der Trauer, willigte Frau
Josserand zum erstenmal ein, außer dem Hause zu speisen. Es war
übrigens ein Familienessen bei den Duverdy, mit dem Clotilde ihre
Sonnabende im neuen Winter eröffnete. Tags vorher wurde Adele
verständigt, daß sie hinabgehen solle, um Julie bei der Reinigung
des Geschirrs behilflich zu sein. An Empfangstagen liehen sich die
Damen gegenseitig ihre Dienstboten.
    Seien Sie vor allem ordentlicher, empfahl Frau Josserand ihrer
Magd. Ich weiß nicht, was Sie jetzt im Leibe haben; man sollte
meinen, daß Sie mit Fetzen vollgestopft sind; Sie sind dick und
breit.
    Adele war ganz einfach im neunten Monate der Schwangerschaft.
Sie selbst hatte lange Zeit geglaubt, daß sie fett werde, was sie
in nicht geringes Staunen versetzte; sie schäumte vor Wut, wenn sie
hungernd mit leerem Magen ihre Gebieterin triumphierend rufen
hörte: Alle, die sie beschuldigten, daß sie ihren Dienstboten das
Brot zuwiege, mögen einmal diese dicke Fresserin anschauen, deren
Bauch doch wohl nicht davon wachse, daß sie die Wände lecke? Als
sie in ihrer Dummheit endlich ihren Zustand begriff, mußte sie sich
große Gewalt antun, die Sache ihrer Herrin nicht vorzuwerfen, die
ihren Zustand wahrhaftig mißbrauchte, um glauben zu machen, daß sie
sie endlich gebührend nähre.
    Von diesem Augenblicke an war sie vom Schreck gelähmt. In ihrem
blöden Schädel tauchten die Erinnerungen an das heimatliche Dorf
wieder auf. Sie hielt sich für verurteilt und fürchtete, die
Gendarmen würden kommen, um sie festzunehmen, wenn sie ihre
Schwangerschaft eingestehe. Sie wendete
die ganze List einer Wilden auf, diese Schwangerschaft zu
verheimlichen. Sie verheimlichte die Übelkeiten, die unerträglichen
Kopfschmerzen, die fürchterliche Hartleibigkeit, woran sie litt;
zweimal glaubte sie sterben zu müssen, während sie am Küchenherde
ihre Soßen umrührte. Glücklicherweise trug sie das Kind in den
Seilen, so daß der Bauch nicht allzu stark hervortrat. Die Herrin
hatte niemals einen Verdacht, so stolz war sie auf die
Wohlbeleibtheit ihrer Magd. Diese schnürte sich zum Ersticken; sie
fand ihren Bauch nicht auffallend, aber sehr schwer, wenn sie die
Küche scheuerte. In den letzten zwei Monaten hatte sie entsetzliche
Schmerzen zu ertragen und ertrug sie mit heldenmütiger Geduld.
    An diesem Abend ging Adele gegen elf Uhr schlafen. Der Gedanke
an die morgige Abendgesellschaft entsetzte sie; noch herumlaufen,
noch gestoßen werden von dieser Julie! … Und sie konnte kaum
mehr gehen. Die Entbindung sah sie in nebelhafter Ferne; sie dachte
nicht gern daran und wollte lieber ihren Zustand beibehalten, wie
er

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