Der häusliche Herd
war, in der unbestimmten Hoffnung, daß die Sache schließlich in
irgendeiner Weise unbemerkt ablaufe. Sie traf denn auch keinerlei
Vorbereitungen; sie kannte die Anzeichen nicht, erinnerte sich
keines Datums, verbrachte die Zeit gedankenlos und planlos. Sie
befand sich nur wohl, wenn sie in ihrem Bette ausgestreckt lag. Da
es seit gestern fror, behielt sie ihre Strümpfe an, blies die Kerze
aus und suchte sich im Bett zu erwärmen. Endlich schlief sie ein.
Nach kurzer Zeit wurde sie durch schwache Wehen geweckt. Sie fühlte
ein Stechen und Zwicken in der Haut. Anfangs glaubte sie, daß eine
Fliege sie am Bauche, rings um den Nabel picke. Dann hörte das
Stechen wieder auf und sie beruhigte sich: war sie ja an allerlei
seltsame, unerklärliche Erscheinungen schon gewöhnt. Nach einem
kaum halbstündigen unruhigen Schlafe ward
sie durch ein heftiges Leibschneiden plötzlich wieder geweckt. Sie
ward zornig. Sollte sie einen Kolikanfall haben? fragte sie sich.
Wie solle sie morgen flink auf den Beinen sein, wenn sie die ganze
Nacht auf den Topf laufen müsse? Dieser Gedanke an einen Fehler in
den Eingeweiden hatte sie den ganzen Abend beschäftigt; sie fühlte
eine Schwere im Leib und war auf einen Zusammenbruch gefaßt. Indes
wollte sie Widerstand leisten, rieb sich den Bauch und glaubte den
Schmerz beschwichtigt zu haben. Nach Verlauf einer Viertelstunde
stellte der Schmerz sich heftiger wieder ein.
Himmelherrgott! stöhnte sie halblaut und entschloß sich, ihr
Lager zu verlassen.
Im Finstern zog sie den Topf hervor, hockte sich auf ihn nieder
und erschöpfte sich in nutzlosen Anstrengungen. Die Kammer war
eiskalt; sie zitterte vor Frost. Als nach zehn Minuten die
Bauchschmerzen nachließen, legte sie sich wieder. Doch zehn Minuten
später stellte das Leibschneiden sich wieder ein. Sie erhob sich
nochmals, machte von neuem vergebliche Versuche und kehrte ganz
durchkältet in ihr Bett zurück, wo sie wieder einen Augenblick der
Ruhe genoß. Dann kam es aber mit solcher Heftigkeit über sie, daß
sie eine erste Klage unterdrückte. Das war schließlich doch zu
dumm! Drängte es sie zum Stuhlgang, oder drängte es sie nicht?
Jetzt dauerten die Wehen an; die Erschütterungen wurden heftiger,
als wenn eine rohe Hand sie irgendwo im Bauche zusammenpresse. Sie
begriff, und ein Schauer ging über ihren ganzen Körper, wobei sie
unter der Decke stammelte:
O, mein Gott! mein Gott! ist es das?
Eine große Beklemmung bemächtigte sich ihrer, ein Bedürfnis zu
gehen, ihr Übel herumzuführen. Sie vermochte nicht länger im Bette
zu bleiben, zündete die Kerze an und begann in ihrer Kammer auf und ab zu gehen. Ihre
Zunge wurde trocken, ein brennender Durst quälte sie, während rote
Flecke auf ihren Wangen glühten. Wenn ein plötzlicher Krampfanfall
sie zusammenzog, lehnte sie sich an die Mauer und klammerte sich an
ein Möbelstück. Dieses schmerzliche Getrippel währte stundenlang,
ohne daß sie es wagte, Schuhe anzuziehen aus Furcht, gehört zu
werden, gegen die Kälte bloß durch einen alten Schal geschützt, den
sie über ihre Schultern geworfen hatte. Es schlug zwei Uhr, dann
drei Uhr.
Es gibt keinen guten Gott! sagte sie leise in einem Bedürfnisse,
zu reden und sich zu hören. Es dauert zu lang; es will kein Ende
nehmen.
Indes nahm die vorbereitende Arbeit ihren Fortgang; die Schwere
senkte sich in die Hinterbacken und in die Schenkel herab. Selbst
wenn ihr Bauch sie einen Augenblick aufatmen ließ, litt sie da
einen ununterbrochenen Schmerz. Um sich eine Erleichterung zu
verschaffen, hatte sie mit vollen Händen ihre Hinterbacken gepackt
und stützte sie, während sie noch immer wackelnd umherging mit
nackten Beinen, die bis zu den Knien mit groben Strümpfen bedeckt
waren. Nein, es gab keinen guten Gott! Ihre Frömmigkeit lehnte sich
auf; ihre Ergebung eines Lasttieres, die sie die Schwangerschaft
als eine Frone mehr hatte hinnehmen lassen, war jetzt zu Ende. War
es denn nicht genug, sich niemals satt essen zu können, der
ungeschickte Schmutzlappen zu sein, auf dem das ganze Haus
herumtrat; mußte es auch noch geschehen, daß die Herrenleute ihr
ein Kind machten! Ha, diese Schweinekerle! Sie hätte nicht einmal
sagen können, ob es vom Jungen war oder vom Alten; denn der Alte
hatte sie nach dem Karnevalsdienstag wieder einmal gemartert.
Übrigens kümmerten sich beide jetzt nicht mehr um sie, wenn sie nur
ihr Vergnügen hatten und sie das Leid! Sie
sollte hinabgehen und auf ihrem Lager niederkommen, um zu
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