Der häusliche Herd
Bäcker gekauft war und mit kleinem Gebäck und
Butterbrötchen. An den beiden Enden des Tisches standen kostbare
Blumen, welche die Dürftigkeit der Butter und des Kuchens deckten.
Rufe der Bewunderung und des Neides wurden hörbar: diese Josserands
opferten sich auf, um ihre Töchter unter die Haube zu bringen. Mit scheelen Blicken auf die Blumen
schlürften die Gäste schlechten Tee und kauten dazu altbackene
Kuchen; sie hatten eben wenig gegessen und dachten nur daran, sich
den Magen zu füllen. Für jene, die den Tee nicht liebten, reichte
Adele Himbeersaft herum, der für köstlich erklärt wurde.
Inzwischen schlief der Onkel in einem Winkel. Man weckte ihn
nicht, man tat sogar, als ob man ihn nicht sehe. Eine Dame sprach
von den Mühen des Handels. Berta und eine ihrer Freundinnen
widmeten sich der Bedienung der Gäste, warteten mit Tee und
Brötchen auf und fragten die Herren »ob sie mehr Zucker wünschten«.
Allein sie reichten nicht aus, um alle diese Leute, die sich in dem
Speisezimmer drängten, zu befriedigen; Frau Josserand suchte
deshalb ihre Tochter Hortense – und bemerkte sie, wie sie in dem
leeren Salon mit einem Herrn plauderte, von dem nur der Rücken zu
sehen war.
Er kommt also doch endlich! sagte sie mit einer Gebärde der
Ungeduld.
Es entstand ein Geflüster. Das ist jener Verdier, der seit
fünfzehn Jahren mit einer Frau lebt und Hortense heiraten soll.
Jeder kannte die Geschichte; die Mädchen tauschten Blicke aus, doch
sprach man nicht davon, – aus Schicklichkeit – man spitzte nur die
Lippen. Als Octave erfuhr, wovon die Rede sei, betrachtete er den
Rücken jenes Herrn. Trublot kannte die Geliebte; sie sei ein sehr
gutes Mädchen, eine ehemalige Freudendame, die aber »ordentlich«
geworden sei, – ordentlicher als die ehrenhafteste Spießbürgerin;
sie pflege ihren Zuhälter und halte seine Wäsche in Ordnung; er
(Trublot) sei von einer wahrhaft brüderlichen Zuneigung für sie
erfüllt. Während sie von den im Speisezimmer versammelten Gästen
beobachtet wurden, machte Hortense mit der Schmollmiene des
jungfräulichen und wohlerzogenen Mädchens
Herrn Verdier Vorwürfe über sein langes Ausbleiben.
Ah, Himbeersaft! rief Trublot, als er Adele mit der Platte
erscheinen sah. Er roch daran und lehnte ab. Als sie sich umwandte,
stieß eine Dame mit dem Ellbogen sie an, so daß sie gegen Herrn
Trublot gedrängt wurde, der diese Gelegenheit benützte, sie in die
Hüften zu zwicken. Adele lächelte und kam dann mit der Platte
wieder. – Nein, danke, sagte er; vielleicht später.
Die Damen hatten rings um den Tisch Platz genommen, die Herren
aßen hinter ihnen stehend. Da wurden begeisterte Ausrufe hörbar,
halb erstickt in den vollen Mäulern. Die Herren wurden
herbeigerufen. Frau Josserand rief:
Schauen Sie, Herr Mouret. Sie sind ja ein
Kunstliebhaber! …
Nehmen Sie sich in acht, jetzt kommt das Aquarell! sagte
Trublot, der die Gebräuche des Hauses kannte.
Diesmal handelte; es sich um etwas Besseres als ein Aquarell.
Wie zufällig fand sich ein Porzellanbecher auf dem Tische; auf dem
Grunde war, montiert mit einem neuen Rahmen von emaillierter
Bronze, »das Mädchen mit dem zerbrochenen Kruge gemalt«, in
durcheinanderfließenden Farben, hellila und zartblau. Berta empfing
die Lobsprüche mit artigem Lächeln.
Das Fräulein hat alle Talente! sagte Octave begeistert. Das ist
sehr schön gemalt und ganz genau!
Was die Zeichnung betrifft, bürge ich für die Genauigkeit! rief
Frau Josserand triumphierend aus. Es ist daran kein Haar zu viel
oder zu wenig. Berta hat das von einem Stich abgemalt. Im Louvre
sieht man gar zu viele Nacktheiten; auch ist dort das Publikum so
gemischt!
Sie sagte es mit gedämpfter Stimme, wie um dem jungen Manne die
Aufklärung zu geben, daß ihre Tochter, wenn sie auch Künstlerin ist, den Kreis der Unzüchtigkeiten
meidet. Sie fand übrigens Octave ziemlich kühl und merkte, daß der
Porzellanbecher nicht viel gewirkt habe; sie begann daher, den
jungen Mann mit unruhigen Blicken zu beobachten. Die Damen Valerie
und Juzeur, die schon bei der vierten Tasse Tee waren, betrachteten
inzwischen die Malerei und stießen leise Rufe der Bewunderung
aus.
Sie betrachten sie noch immer? fragte Trublot, als er sah, daß
Octaves Blicke unausgesetzt auf Valerie gerichtet seien.
Ja, sagte dieser etwas verlegen. Es ist drollig: jetzt scheint
sie mir hübsch zu sein … Ein leidenschaftliches Weib, das ist
klar … Glauben Sie, daß man's wagen
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