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Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Niemals hat mir jemand ein
solches Vergnügen bereitet.
    Nicht wahr, Herr Mouret? rief Frau Josserand bezaubert. Sie
zieht sich gar nicht übel aus der Sache. Mein Gott, wir haben
diesem Kinde nichts versagt, sie ist unser Schatz. Wir haben alle
Fähigkeiten ausbilden lassen, die sich bei ihr zeigten. Ach, mein
Herr, wenn Sie sie kennten …
    Ein verworrenes Geräusch von Stimmen erfüllte von neuem den Salon. Berta nahm die Lobsprüche ruhig
entgegen; sie verließ das Piano nicht, sondern wartete, bis ihre
Mutter sie des Frohndienstes entheben werde. Diese erzählte eben
Herrn Mouret, wie bewunderungswürdig ihre Tochter den Galopp
brillant »Die Schnitter« spiele, als die Gäste durch dumpfe, ferne
Schläge in Aufregung versetzt wurden. Die Stöße wurden immer
heftiger, als ob jemand eine Tür einrennen wollte. Man schwieg und
schaute einander fragend an.
    Was ist denn das? fragte Frau Valerie. Ich habe schon vorhin,
als das Stück zu Ende ging, diese Schläge gehört.
    Frau Josserand war bleich geworden. Sie hatte die Stöße
Saturnins erkannt. Ah, der elende Verrückte! Sie fürchtete ihn
jeden Augenblick mitten in die Gesellschaft stürzen zu sehen. Wenn
er fortfährt zu klopfen, so geht wieder eine Partie in Trümmer.
    Es ist die Küchentür, die der Wind auf- und zuschlägt, sagte sie
mit gezwungenem Lächeln. Adele will diese Türe niemals
schließen … Schau doch nach, Berte.
    Auch Berta hatte begriffen. Sie erhob sich und verschwand. Die
Schläge hörten sogleich auf, doch kam sie nicht bald zurück. Der
Onkel Bachelard, der durch allerlei laute Bemerkungen den Vortrag
der Réverie »Am Ufer der Oise« in skandalöser Weise gestört hatte,
brachte jetzt seine Schwester vollends in Verzweiflung, indem er
Gueulin zurief, daß er sieh tödlich langweile und einen Grog
trinken wolle. Sodann begaben sich beide in das Speisezimmer,
dessen Türe sie geräuschvoll zuschlugen.
    Der gute Narziß ist doch immer originell! sagte Frau Josserand
zu Frau Juzeur und zu Valerie, indem sie sich zu diesen Damen
setzte. Seine Geschäfte nehmen ihn so sehr in Anspruch … Sie
wissen wohl, daß er dieses Jahr über hunderttausend Franken
verdient hat!
    Octave, der wieder frei geworden war, beeilte
sich, Trublot aufzusuchen, der inzwischen auf einem Sofa
eingeschlummert war. In ihrer Nähe umgab eine Gruppe von Gästen den
Doktor Juillerat, einen alten Arzt des Stadtviertels, der schon
alle diese Damen entbunden und alle diese Fräulein in ihren
Krankheiten behandelt hatte. Er beschäftigte sich besonders mit
Frauenkrankheiten, weshalb er am Abend die betreffenden Gatten
aufsuchte, um ihnen in einem Winkel irgendeines Salons seinen
ärztlichen Rat zu erteilen. Eben erzählte ihm Theophil, daß Valerie
gestern Abend wieder einen Anfall gehabt habe, sie ersticke schier
und beklage sich, daß ihr ein Knoten im Halse stecke; auch er
befinde sich unwohl, allerdings in anderer Weise. Und nun sprach er
nur mehr von seiner Person und erzählte die Wechselfälle seines
Lebens. Zuerst hatte er die Rechte studiert, dann hatte er es bei
einem Eisengießer mit der Industrie versucht, im Leihhause des Mont
de Piété wollte er die Verwaltungslaufbahn einschlagen, später
beschäftigte er sich mit der Photographie, dann wieder glaubte er,
einen Mechanismus erfunden zu haben, wie man die Wagen ohne Pferde
fortbewegen könne, mittlerweile beschäftigte er sich damit, eine
Erfindung seines Freundes, ein Instrument unter dem Namen
»Flöten-Piano« zu verkaufen. Schließlich kam er auf seine Frau zu
sprechen. Ihre Schuld sei es – sagte er – wenn nichts gelingen
wolle; sie töte ihn mit ihren ewigen Nervenzuständen.
    Geben Sie ihr doch etwas, Doktor! rief er mit von Haß funkelnden
Augen, hustend und stöhnend in der verzweifelten Wut über sein
Unvermögen.
    Trublot schaute ihn voll Verachtung an und blickte dann mit
einem stillen Lächeln auf Octave. Der Doktor Juillerat fand
indessen allgemeine und besänftigende Worte: Man werde der lieben
Dame Erleichterung verschaffen, gewiß. Schon mit vierzehn Jahren habe sie in der erstickenden
Luft des Ladens in der Neuen Augustinstraße gesessen; er habe sie
wiederholt bei Schwindelanfällen behandelt, die mit Nasenbluten
endigten; und da Theophil sich verzweiflungsvoll der schmachtenden
Sanftmut des jungen Mädchens erinnerte, während sie ihn jetzt mit
ihren zwanzigmal im Tage wechselnden Einfällen zu Tode martere,
beschränkte sich der Doktor darauf, mit dem Kopfe zu nicken,
gleichsam um

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