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Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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ehe er
ausgeht, sie ankleiden und in Ordnung bringen … Ich allein
kann mich in diesen Dingen nie zurechtfinden. Das langweilt mich,
das regt mich auf …
    Die Kleine, überdrüssig, so lange im Hemde zu sitzen, und
eingeschüchtert durch die Anwesenheit eines fremden Mannes, war
inzwischen immer widerspenstiger geworden und warf sich jetzt auf
dem Tische zurück.
    Geben Sie acht! rief Octave. Sie wird hinunterfallen.
    Es war eine völlige Katastrophe. Marie schien nicht zu wagen,
die nackten Glieder ihrer Tochter zu berühren. Sie betrachtete sie
mit der Verblüffung einer Jungfrau. Zu der Furcht, dem Kinde einen
Schaden zuzufügen, gesellte sich eine unbestimmte Scheu vor diesem
lebendigen Fleische. Indes gelang es ihr endlich, unterstützt von
Octave, das Kind wieder anzukleiden.
    Was werden Sie anfangen, wenn Sie einst zwölf Kinder haben?
fragte Octave lachend.
    Aber wir werden keines mehr haben, erwiderte
sie verstört.
    Er begann zu scherzen; sie solle nichts verschwören; ein Kind
sei so schnell fertig.
    Nein, nein! wiederholte sie hartnäckig. Sie haben ja neulich
Mama gehört. Sie hat es Julius streng verboten. Sie kennen sie
nicht. Es gäbe endlose Streitigkeiten, wenn ein zweites Kind
käme.
    Es machte Octave viel Spaß, mit welcher Ruhe die junge Frau über
dieses Thema sprach. Er drängte sie immer weiter in dieser
Richtung, doch gelang es ihm nicht, sie in Verlegenheit zu bringen.
Sie tue übrigens, was ihr Mann wolle, sagte sie. Sie liebe die
Kinder, gewiß; und wenn es ihr erlaubt wäre, möchte sie noch mehr
haben. Hinter dieser Fügsamkeit gegen den Befehl der Mutter sah man
den Gleichmut der Frau, deren mütterliches Gefühl noch nicht
geweckt ist. Lilitte beschäftigte sie ungefähr so wie ihr
Hauswesen, das sie aus Pflichtgefühl in Ordnung hielt. Wenn sie das
Eßgeschirr gereinigt und ihre Kleine spazieren geführt hatte,
setzte sie das leere, schläfrige Leben eines jungen Mädchens fort,
eingewiegt von der unbestimmten Hoffnung auf eine Freude, die nicht
kommen wollte. Als Octave ihr sagte, daß sie sich in ihrer ewigen
Einsamkeit grausam langweilen müsse, schien sie überrascht. Nein –
meinte sie –, sie langweile sich nicht; die Tage vergehen von
selbst, ohne daß sie beim Schlafengehen wisse, womit sie dieselben
zugebracht. Am Sonntag gehe sie zuweilen mit ihrem Gatten aus, ein
andermal kämen ihre Eltern zu Besuch, oder sie nehme ein Buch zur
Hand. Sie werde nunmehr, da ihr das Lesen erlaubt sei, den ganzen
Tag lesen, wenn sie keine Kopfschmerzen davon bekomme.
    Es ist sehr verdrießlich, fügte sie hinzu, daß man
im Lesekabinett der Choiseul-Straße nicht
alle Bücher bekommt… Ich habe beispielsweise »André« verlangt, ein
Buch, das mir einst heiße Tränen entlockt hat, und das ich wieder
lesen wollte. Aber gerade dieses Buch ist ihnen gestohlen worden…
Mein Vater aber will mir sein Exemplar nicht leihen; er fürchtet,
Lilitte werde die Bilder herausreißen.
    Ich glaube, mein Freund Campardon hat den ganzen George
Sand … Ich will das Buch für Sie geborgt nehmen.
    Sie errötete, ihre Augen funkelten … Er wäre in der Tat
sehr liebenswürdig, meinte sie. Als er fortging, saß sie mit
hängenden Armen, gedankenlos vor Lilitte da in der nämlichen
Stellung, in der sie oft ganze Nachmittage verbrachte. Die Näherei
war ihr zuwider, sie liebte die Häkelarbeit, und man sah eine
solche Arbeit bei ihr immerfort auf den Möbeln herumliegen.
    Am folgenden Tage – einem Sonntage – brachte Octave das
versprochene Buch. Pichon hatte ausgehen müssen, um seine
Visitenkarte bei einem seiner Vorgesetzten abzugeben. Als der junge
Mann sie angekleidet fand, – sie war eben von einem Gange in die
Nachbarschaft zurückgekehrt – fragte er sie, ob sie in der Messe
gewesen sei, denn er hielt sie für sehr fromm. Sie erwiderte, daß
sie seit mehr als einem Jahre nicht in der Kirche gewesen. Vor
ihrer Verheiratung sei sie mit ihrer Mutter sehr regelmäßig in die
Kirche gegangen. Während der ersten Monate ihrer Ehe habe sie aus
Gewohnheit die Kirchenbesuche fortgesetzt, doch immer in der
Furcht, zu spät zu kommen. Als sie später einige Messen versäumt
habe, sei sie nicht mehr in die Kirche gegangen – sie wisse selbst
nicht warum. Ihr Gatte verabscheue die Geistlichen, ihre Mutter
aber frage sie jetzt gar nicht über diesen Gegenstand. Indes ward
sie durch die Frage Octaves aufgerüttelt, als ob er Dinge in ihr wachgerufen habe, die unter
der Lässigkeit ihres gegenwärtigen

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