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Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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der
Liebe nicht eine größere Wonne liege.
    Was mich am meisten ergreift, sehen Sie, das sind jene Stellen
in den Romanen, wo die Personen einander Liebeserklärungen
machen.
    Octave hatte sich gesetzt; er fand wenig Geschmack an dieser
Empfindsamkeit und suchte, dem Gespräch eine lustigere Wendung zu
geben.
    Ich verabscheue die Redensarten, sagte er. Wenn man sich liebt,
ist es am besten, sich dies sofort zu beweisen.
    Sie schien nicht zu begreifen und blickte ihn mit ihren klaren
Augen treuherzig an. Er streckte die Hand aus, streifte die ihrige, neigte sich vor, um in das Buch
zu blicken, so nahe zu ihr, daß sie durch die Blöße, die der
Schlafrock ließ, seinen warmen Hauch auf ihrer Schulter fühlte; sie
blieb indes ruhig und kalt. Er erhob sich, von Geringschätzung und
Mitleid für sie erfüllt. Als er fortging, sagte sie:
    Ich lese sehr langsam und werde nicht vor morgen mit dem Buch zu
Ende sein … Morgen wird es amüsant sein! Kommen Sie am
Abend.
    Es war sicher: er konnte sich keinerlei Gedanken über diese Frau
bilden, und dennoch brachte sie ihn in Erregung. Er empfand eine
seltsame Freundschaft für dieses junge Ehepaar, dessen
Beschränktheit in allen Lebensverhältnissen ihn schier in Wut
brachte, und kam auf den Einfall, ihnen wider ihren Willen nützlich
zu sein: er wollte sie zum Essen führen, ihnen Wein zu trinken
geben und sie zu seinem Ergötzen einander in die Arme legen. Wenn
diese Anwandlungen von Güte ihm kamen, war er – der sonst niemandem
zehn Franken lieh – imstande, das Geld zum Fenster hinauszuwerfen,
um zwei Verliebte zu »verbandeln« und sie glücklich zu machen.
    Die Kälte der kleinen Frau Pichon führte übrigens Octave zur
leidenschaftlichen Valerie zurück. Diese werde sich sicherlich
nicht zweimal auf den Nacken blasen lassen. Er machte in der Tat
Fortschritte in ihrer Gunst; als sie eines Tages vor ihm die Treppe
emporstieg, wagte er eine Schmeichelei über ihren Fuß, und sie
schien ganz und gar nicht erzürnt darüber.
    Endlich kam die so lang ersehnte Gelegenheit. Es war an dem
Abende, an dem er mit Frau Pichon über den Roman plaudern sollte,
weil ihr Gatte erst um Mitternacht zurückkommen werde. Er zog es
aber vor, spazieren zu gehen, es schauderte ihn vor diesem
literarischen Genuß.
    Erst gegen zehn Uhr abends kehrte er zurück.
Da begegnete er auf dem Treppenabsatz des ersten Stockwerkes der
Zofe Valeries, die ganz verstört war und ihm zurief:
    Die Frau hat einen Nervenanfall, der Herr ist nicht zu Hause,
die Nachbarsleute von drüben sind im Theater … Kommen Sie, ich
bitte Sie; ich bin ganz allein und weiß nicht, was anfangen.
    Valerie lag in ihrem Zimmer mit steifen Gliedern in einem Sessel
ausgestreckt. Die Zofe hatte sie aufgeschnürt, aus dem offenen
Mieder quoll der Busen hervor. Der Anfall ging übrigens rasch
vorüber. Sie öffnete die Augen, war überrascht, als sie Octave sah,
und benahm sich übrigens wie in Gegenwart eines Arztes, indem sie
mit mäßiger Eile ihre Toilette wieder in Ordnung brachte.
    Vergeben Sie, mein Herr, sprach sie mit noch immer beklommener
Stimme; das Mädchen ist erst seit gestern bei mir und hat ganz den
Kopf verloren.
    Die vollkommene Ruhe, mit der sie ihr Mieder ablegte, und ihr
Kleid zunestelte, versetzte den jungen Mann in Verlegenheit. Er sah
stehend zu und schwur sich innerlich, nicht so wieder fortzugehen,
aber er wagte es auch nicht, sich zu setzen. Sie hatte die Zofe
hinausgeschickt, deren Anblick sie zu ärgern schien. Dann ging sie
zu dem weit offen stehenden Fenster, um die von außen eindringende
frische Luft einzuatmen, wobei sie zeitweilig nervös gähnte.
    Allmählich entwickelte sich ein Gespräch zwischen ihnen. Dieser
Zustand – sagte sie – währe nun schon seit ihrem vierzehnten Jahre;
der Doktor Juillerat sei mit seinen Medikamenten zu Ende. Bald habe
sie den Schmerz in den Armen, bald im Kreuz. Endlich habe sie sich
daran gewöhnt, das Übel sei so gut oder schlecht wie ein anderes;
denn sie sehe ja, daß niemand vollständig gesund sei.
    Er beobachtete sie, während sie mit müden Gliedern
zu ihm sprach; er fand sie herausfordernd
in ihrer ungeordneten Toilette, mit ihrer bleifarbenen Farbe, ihrem
Gesichte, das durch den Anfall verzerrt war wie durch eine ganze
Liebesnacht. Hinter der dunklen Flut ihrer aufgelösten Haare, die
auf ihre Schulter herabfloß, glaubte er den unbedeutenden,
schmächtigen, bartlosen Kopf ihres Gatten auftauchen zu sehen. Da
streckte er die Hände aus und

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