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Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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der Gramont-Straße
der Ehevertrag unterzeichnet. Bevor die Josserands sich dahin auf
den Weg machten, gab es noch eine böse Szene bei ihnen. In einer
letzten Regung der Ehrenhaftigkeit machte Josserand seine Frau
verantwortlich für die Lüge, zu der man
ihn nötigte, und da warfen sie einander ihre Familien wieder an den
Kopf. Wo sollte er alle sechs Monate 10 000 Franken hernehmen?
Diese Verpflichtung raubte ihm den Verstand. Bachelard, der zugegen
war, klopfte sich stolz auf die Brust, erschöpfte sich in
Versprechungen und schwur hoch und teuer, er werde seine kleine
Berta niemals in Verlegenheit lassen. Doch der Vater zuckte die
Achseln und fragte, ob er ihn denn entschieden für einen »Trottel«
halte?
    Die Verlesung des Ehevertrages, den der Notar nach den Angaben
Duverdys verfaßt hatte, beruhigte Herrn Josserand einigermaßen. Es
war in dem Vertrage keine Rede von der Versicherung; die erste Rate
von 10 000 Franken sollte sechs Monate nach der Hochzeit
gezahlt werden. So hatte er wenigstens Zeit zu atmen. August Vabre,
der aufmerksam zugehört hatte, verriet eine lebhafte Unruhe; er
schaute lächelnd auf Berta, dann schaute er auf die Josserand,
endlich auf Duverdy. Er erlaubte sich die Bemerkung, daß die
Versicherung als Garantie der Mitgift in dem Vertrage doch erwähnt
sein müsse. Da taten alle sehr verwundert. Wozu denn? Die Sache
verstehe sich von selbst. Der Notar Renaudin, ein sehr höflicher
junger Mann, reichte den Damen stumm die Feder, und man
unterzeichnete.
    Als man sich entfernte, äußerte sich Frau Duverdy sehr
überrascht: es sei ja von einer Versicherung gar nicht die Rede
gewesen, sondern die Mitgift von 50 000 Franken solle vom
Onkel Bachelard gegeben werden. Frau Josserand leugnete in
unschuldigem Tone, daß sie jemals die Absicht gehabt habe, ihren
Bruder wegen einer solchen Kleinigkeit anzugehen. Berta habe einst
das ganze Vermögen ihres Oheims zu erwarten.
    Am Abend kam eine Droschke, um Saturnin abzuholen. Seine Mutter hatte erklärt, er könne unmöglich über
die Hochzeit im Hause behalten werden; man könne doch nicht einen
Verrückten unter die Hochzeitsgäste lassen, der die Leute
aufzuspießen drohe. Herr Josserand mußte mit tief bekümmertem
Herzen sich entschließen, die Aufnahme des unglücklichen Wesens in
das Asyl zu Ville-Evrard nachzusuchen. Man ließ bei Einbruch der
Dunkelheit den Wagen unter die Torwölbung einfahren; Saturnin kam,
von Berta bei der Hand geführt, herab; er glaubte, es handle sich
um einen Ausflug auf das Land. Als er jedoch im Wagen saß, ahnte er
instinktmäßig die Wahrheit; er wehrte sich wütend, schlug die
Scheiben ein und streckte die blutigen Fäuste zu den Fenstern
hinaus.
    Josserand ging weinend hinauf, ganz verstört über diese Abreise
in der Dunkelheit; noch lange gellte ihm das Geheul des armen
Wesens in den Ohren, untermengt mit dem Peitschenknall des
Kutschers und dem Galopp des Pferdes.
    Als er beim Essen auf den Platz Saturnins blickte, der fortan
leer bleiben sollte, traten ihm Tränen in die Augen. Seine Frau, im
Irrtum über den Grund seines Kummers, ward ärgerlich darüber und
rief:
    Jetzt ist's aber genug! Willst du mit dieser Leichenbittermiene
Hochzeit machen? Ich schwöre dir bei dem, was mir das Heiligste
ist, bei dem Grabe meines Vaters, daß der Onkel die ersten
10 000 Franken bezahlen wird. Ich bürge dafür. Er hat es mir
in aller Form geschworen, als wir vom Notar kamen.
    Herr Josserand gab ihr keine Antwort. Er schrieb die ganze Nacht
seine Adreßschleifen. Bei Tagesanbruch hatte er, vor Kälte
zitternd, das zweite Tausend vollendet und sechs Franken verdient.
Er hatte aus Gewohnheit wiederholt den Kopf erhoben, um zu
lauschen, ob Saturnin nicht im Nebenzimmer
schnarche. Dann dachte er an Berta, und das eiferte ihn zu weiterer
Arbeit an. Sechs Franken mehr geben ein hübsches Bukett zum
Hochzeitskleide …

Kapitel 8
     
    Die Trauung auf dem Standesamt fand am Donnerstag statt.
Samstags vormittags warteten schon um ein Viertel auf elf die Damen
in dem Salon der Josserand, da die kirchliche Trauung für elf Uhr
in der Rochuskirche anberaumt war. Es hatten sich eingefunden: Frau
Juzeur, die sich immer in schwarze Seide kleidete, Frau
Dambreville, in ein mattbraunes Kleid eingepreßt, Frau Duverdy,
sehr einfach, in blaßblauer Toilette. Diese drei plauderten
halblaut mitten in dem Durcheinander von Armsesseln. In dem
anstoßenden Zimmer vollendete indessen Frau Josserand Bertas
Toilette, wobei ihr die Magd

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