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Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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das
Speisezimmer begeben hatte, wo statt des Tees Champagner gereicht
wurde.
    Gueulin, der auf einem Sofa hingestreckt lag und einige Brocken
des Gespräches erhascht hatte, murmelte vor sich hin:
    Ist dieser Onkel eine Kanaille!
    Er kannte die Geschichte von der Versicherungsprämie, denn die
Versicherung geschah seinerzeit bei seiner Gesellschaft. Er teilte
Octave und Trublot die Wahrheit mit: dieser Vabre werde nicht einen
Heller bekommen.
    Als die Herren lachten, daß sie sich den Bauch hielten, rief
Gueulin mit komischer Heftigkeit:
    Ich brauche hundert Franken, und wenn der Onkel mir sie nicht
geben will, hänge ich die ganze Geschichte an die große Glocke.
    Die Gespräche wurden immer lauter, der Champagner machte aller
Anständigkeit ein Ende. In Clarissens Salon endeten diese
Gesellschaften immer geräuschvoll. Es kam nicht selten vor, daß sie
selbst sich vergaß. Trublot zeigte sie dem Octave, wie sie hinter
einer Türe in den Armen eines kräftig gebauten Steinmetzgesellen
aus dem Süden lag, den seine Vaterstadt nach Paris gesandt hatte,
damit dort ein Künstler aus ihm werde. Jetzt stieß Duverdy die Türe
auf, sie ließ daher rasch den jungen Mann los und empfahl ihn ihrem
Zuhälter in sehr warmen Ausdrücken: das ist Herr Payan, ein
Bildhauertalent ersten Ranges! Duverdy tat sehr entzückt und
versprach, den jungen Mann mit Arbeit zu versorgen.
    Arbeit, Arbeit, wiederholte Gueulin
halblaut; er findet hier soviel Arbeit, wie er will, der große
Gimpel!
    Als um zwei Uhr nach Mitternacht die drei jungen Leute und der
Oheim sich entfernten, war letzterer vollständig betrunken. Sie
hätten ihn gern in eine Droschke gepackt, allein das ganze
Stadtviertel lag in feierlicher Stille da, nicht das Rollen eines
Wagens, nicht der Schritt eines Fußgängers war hörbar. Der Mond war
zum Vorschein gekommen und sandte sein bleiches Licht auf die
Fußwege. Die jungen Leute mußten sich entschließen, den Onkel zu
führen. In den verlassenen, stillen Straßen klangen ihre Stimmen
feierlich ernst.
    Verflucht! halten Sie sich doch, Onkel! Sie brechen uns ja die
Arme!
    Der Alte war wieder sehr zärtlich und gerührt.
    Geh weg, Gueulin, blökte er; ich will nicht, daß du deinen Oheim
in einem solchen Zustande siehst. Es schickt sich nicht; wahrlich,
es schickt sich nicht.
    Da sein Neffe ihn als einen alten Halunken behandelte, erwiderte
er:
    Halunke, damit ist nichts gesagt. Man muß sich den Respekt
bewahren … Ich schätze die Frauen, aber nur die anständigen
Frauen. Wo es kein Gefühl gibt, stößt es mich ab … Geh,
Gueulin, du machst deinen Onkel erröten. Diese Herren genügen ja,
mich nach Hause zu geleiten.
    Dann geben Sie mir 100 Franken, erklärte Gueulin. Ich brauche
sie, um meine Miete zu bezahlen, sonst wirft man mich hinaus.
    Bei diesem unerwarteten Verlangen ward Bachelard noch mehr
betrunken, dermaßen, daß man ihn an das Fenster eines Kaufladens
lehnen mußte.
    Wie, was, 100 Franken? stammelte er. Suchet nicht in meinen Taschen. Ich habe nur Sousstücke. Du willst
das Geld an unsauberen Orten verprassen. Nein, niemals werde ich
das Laster unterstützen. Ich kenne meine Pflicht. Deine Mutter hat
auf dem Sterbebett dich meiner Obhut anvertraut. Ich rufe die
Polizei, wenn man mir in der Tasche herumwühlt.
    Er wetterte weiter über die Lasterhaftigkeit der Jugend und
predigte die Notwendigkeit der Tugend.
    Ich bin doch noch nicht so weit, die Familien zu betrügen!
schrie endlich Gueulin. Sie verstehen mich schon! Wenn ich reden
wollte, würden Sie mir rasch die 100 Franken geben.
    Da ward der Onkel plötzlich taub. Er stieß ein Grunzen aus und
drohte zu zerfließen. In der engen Straße, wo sie jetzt waren,
hinter der Gervasiuskirche, brannte eine einzige Laterne mit
bleichem Lichte und ließ auf ihren matten Gläsern eine große Nummer
lesen. Ein dumpfes Getöse drang aus dem Hause, durch dessen
geschlossene Fensterläden schmale Lichtstreifen auf den Fußweg
fielen.
    Ich habe genug! erklärte plötzlich Gueulin. Verzeih, Onkel, ich
habe meinen Regenschirm da oben vergessen.
    Er trat in das Haus ein. Bachelard war entrüstet und angewidert;
er forderte zumindest etwas Respekt für die Frauen; bei solchen
Sitten sei Frankreich verloren. Auf dem Rathausplatz fanden Octave
und Trublot endlich einen Wagen, in den sie ihn hineinwarfen wie
ein Bündel Wäsche.
    Enghien-Straße! riefen sie dem Kutscher zu. Sucht ihm die
Taschen aus und macht Euch bezahlt.
    Am Donnerstag ward bei dem Notar Renaudin in

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