Der häusliche Herd
genommen habe.
Es geht schlimm mit ihr! sagte er den Gästen, die vor der Türe
standen. Vier Personen müssen sie halten. Eine Frau muß doch
seltsam gebaut sein, um so zu zucken, ohne aus den Fugen zu
gehen.
Es hatte sich eine Gruppe gebildet. Man erörterte halblaut die
geringsten Augenblicke der Krise. In den Pausen zwischen den
Quadrillen kamen Damen, von dem Vorfall benachrichtigt, mit
bekümmerten Mienen in den kleinen Salon, kehrten dann zu den Herren
zurück, um ihnen Nachrichten zu bringen, und widmeten sich wieder
dem Tanze. Inmitten des wachsenden Lärms hatte sich hier ein
stiller, geheimnisvoller Winkel gebildet, wo man einander kurze
Bemerkungen zuraunte und verständnisvolle Blicke austauschte.
Theophil aber ging allein, verlassen und wütend vor der Türe auf
und nieder, krank gemacht durch die fixe
Idee, daß man sich über ihn lustig mache, was er nicht dulden
dürfe.
Jetzt durchschritt der Doktor Juillerat lebhaft den Ballsaal,
gefolgt von Hortense, die ihm Erklärungen gab. Hinter ihnen kam
Frau Duverdy. Einige Leute äußerten sich sehr erstaunt; allerlei
Gerüchte liefen um. Kaum war der Doktor verschwunden, als Frau
Josserand mit Frau Dambreville aus dem Zimmer trat. Sie ward immer
wütender; sie hatte soeben zwei Flaschen Wasser über den Kopf
Valeriens ausgegossen; niemals hatte sie eine dermaßen nervöse Frau
gesehen.
Sie entschloß sich, eine Runde durch den Saal zu machen, um
durch ihre Anwesenheit den unfeinen Bemerkungen ein Ende zu machen.
Allein sie ging mit so erschrecklichen Tritten einher und teilte
Lächeln von solcher Bitterkeit aus, daß hinter ihr jeder Mensch
sofort das Geheimnis erfahren mußte.
Frau Dambreville wich nicht von ihrer Seite. Schon seit dem
Morgen redete sie ihr unaufhörlich von Leo, brachte unbestimmte
Klagen vor und bemühte sich, sie zu überreden, daß sie die
Wiederanknüpfung des Verhältnisses zwischen ihnen vermittle. Sie
zeigte ihn seiner Mutter, wie er eben ein großes, hageres Mädchen
auf seinen Platz zurückgeleitete. Den ganzen Abend hindurch hatte
er diesem Mädchen den Hof gemacht.
Er verläßt uns, sagte Frau Dambreville kichernd, wobei sie ihre
Tränen kaum zurückzudrängen vermochte. Zanken Sie ihn doch ein
wenig aus dafür, daß er uns gar nicht mehr beachtet.
Leo! rief Frau Josserand.
Als er kam, fragte sie in dürren Worten, ohne die Dinge
verhüllen zu wollen:
Weshalb bist du in Groll mit Frau Dambreville? …
Sie zürnt dir ja nicht … Verständigt
euch doch. Ein solches Betragen führt zu nichts; man soll nicht
bösartig sein.
Mit diesen Worten ließ sie die beiden ganz verblüfft beieinander
stehen. Frau Dambreville nahm den Arm Leos, und sie begaben sich in
eine Fensternische, um sich dort auseinanderzusetzen; endlich
verließen sie in versöhnter Stimmung miteinander den Ball. Sie
hatte ihm geschworen, ihn bis zum Herbst zu verheiraten.
Währenddessen war Frau Josserand, die fortfuhr, nach allen
Seiten hin zu lächeln, tief erregt, als sie vor Berta stand, die
vom Tanze ganz atemlos, hochgerötet in ihrem zerknitterten Kleide
dastand. Sie nahm sie in ihre Arme und einem unbestimmten
Gedankengange nachgebend, ohne Zweifel an die andere denkend, die
im anstoßenden Zimmer in Krämpfen lag, sagte sie:
Meine arme, liebe Kleine! und dabei küßte sie sie auf beide
Wangen.
Berta aber fragte ganz ruhig:
Wie geht es ihr?
Frau Josserand ward sogleich ganz verstimmt.
Wie, Berta wußte davon? Freilich wußte sie davon, es sprach doch
jeder darüber. Bloß ihr Gatte, der eben eine alte Dame zum Büfett
führte, kannte die Geschichte noch nicht.
Sie war eben im Begriff, jemanden zu beauftragen, daß er ihren
Gatten über den Vorfall verständige, denn es gebe ihm ein gar zu
blödes Aussehen, wenn er immer als Unwissender hinter den anderen
einherhumpele.
Und ich gab mir alle Mühe, das Unheil verheimlichen zu wollen!
rief Frau Josserand sich ereifernd. Jetzt werde ich mir keinen
Zwang weiter antun, daß muß ein Ende nehmen. Ich werde nicht
dulden, daß sie dich lächerlich machen. In
der Tat wußte jeder davon; allein um den Ball nicht zu stören,
hielt man an sich. Die ersten Ausdrücke des Bedauerns wurden durch
die Musikklänge gedeckt. Als der Tanz lebhafter wurde und die Paare
sich enger aneinander schlossen, lächelte man nur darüber. Es war
sehr heiß, die Nacht rückte vor. Die Diener reichten Erfrischungen
herum. Auf dem Sofa waren zwei kleine Mädchen, von der Müdigkeit
überwunden, Arm in Arm, Wange an
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