Der häusliche Herd
nicht wieder. Die Freunde erzählten sich, daß
Valerie sich in entsetzlichen Krämpfen winde. Es sei nötig gewesen,
daß Männer sie hielten. Da man sie aber habe halb auskleiden
müssen, wurden die Anerbietungen Trublots und Gueulins abgelehnt.
Unterdessen spielte das Orchester eine
Quadrille, Berta eröffnete den Ball mit Duverdy, der mit der seiner
Stellung angemessenen Würde tanzte, während August, der Frau
Josserand nicht finden konnte, ihnen mit Hortense das Gegenüber
machte. Man hielt den Anfall der Valerie geheim vor dem Brautpaare,
um ihnen gefährliche Gemütsbewegungen zu ersparen. Der Ball
gestaltete sich lebhafter; heiteres Gelächter ertönte in dem von
den Kronleuchtern hell bestrahlten Saale.
Bei den Tönen einer Polka, welche die Musik mit künstlerischer
Genauigkeit vortrug, wirbelten die Paare durch den Saal und
entfalteten eine ganze Reihe langer Schleppen.
Herr Doktor Juillerat? Wo ist Herr Doktor Juillerat? fragte Frau
Josserand, die erregt hereingestürzt kam.
Der Doktor war eingeladen, aber niemand hatte ihn wahrgenommen.
Da verhehlte sie nicht mehr den dumpfen Zorn, der sich seit dem
Morgen in ihr angehäuft hatte; sie sprach vor Octave und Campardon,
ohne die Ausdrücke zu wählen.
Nun habe ich die Geschichte aber satt … Diese unaufhörliche
Hahnreischaft geht schon über den Spaß hinaus! Und am Hochzeitstage
meiner Tochter! …
Sie suchte Hortense; sie sah sie endlich mit einem Herrn
plaudern, von dem sie zwar nur den Rücken sah, in dem sie aber an
den breiten Schultern Verdier erkannte. Das vermehrte ihren Unmut.
Sie rief das Mädchen in trockenem Tone zu sich und sagte ihr dann
mit gedämpfter Stimme, daß sie besser daran tue, an einem solchen
Tage zur Verfügung der Mutter zu sein. Hortense nahm aber die
Zurechtweisung nicht an. Sie war eben in ihrem Triumphe, denn
Verdier hatte ihre Heirat nach zwei Monaten, auf den Monat Juni
festgesetzt.
Hör' mir damit auf! sagte die Mutter. Ich versichere dir, Mama … Er schläft schon
dreimal wöchentlich auswärts, um die andere daran zu gewöhnen, und
nach vierzehn Tagen wird er gar nicht mehr zurückkehren. Es ist
dann aus damit, und ich krieg' ihn.
Laß mich damit in Ruh'! Ich habe den Kopf toll und voll mit
euren Romanen! Du wirst den Doktor Juillerat an der Türe erwarten
und ihn zu mir schicken, sobald er ankommt … Deiner Schwester
darfst du aber kein Wort sagen.
Hierauf begab sie sich ins anstoßende Zimmer zurück. Hortense,
die zurückblieb, brummte vor sich hin, daß sie, gottlob, niemandes
Zustimmung bedürfe und daß eines schönen Tages die Welt damit
überrascht werde, daß sie besser verheiratet sei als ihre
Schwester. Sie ging indes, um auf die Ankunft des Doktors zu
achten.
Das Orchester spielte jetzt einen Walzer. Berta tanzte mit einem
kleinen Vetter ihres Bräutigams, um, wie üblich, mit allen
Mitgliedern der Familie eine Runde zu machen. Frau Duverdy hatte
dem Onkel Bachelard eine Runde nicht abschlagen können, so sehr er
sie auch belästigte, indem er ihr ins Gesicht schnaufte. Die Hitze
nahm stetig zu, das Büfett füllte sich schon mit Herren, die sich
die Stirne trockneten.
In einer Ecke hüpfte eine Gruppe junger Mädchen herum, während
in einiger Entfernung sinnende Mütter saßen und über die stets
verfehlten Heiratspartien ihrer Töchter nachdachten.
Die beiden Väter wurden vielfach glücklich gepriesen. Herr Vabre
und Herr Josserand trennten sich in der Tat nicht mehr, ohne jedoch
miteinander ein Wort auszutauschen. Alle schienen vergnügt zu sein
und priesen vor ihnen die Lustigkeit des Balles. Es war, um mit
Campardon zu sprechen, eine gediegene Unterhaltung. Der Architekt war über den Zustand Valeriens sehr
beunruhigt, ohne darum bei einem Tanze zu fehlen. Er schickte seine
kleine Tochter Angela Erkundigungen in seinem Namen einholen. Die
vierzehnjährige Kleine brannte vor Begierde nach der Dame, die seit
dem Morgen soviel hatte von sich reden machen, und war ganz
glücklich, in den benachbarten Salon eindringen dürfen. Da sie
nicht zurückkam, konnte der Architekt sich's nicht versagen, die
Türe halb zu öffnen und den Kopf hineinzustecken.
Er bemerkte seine Tochter vor dem Sofa, ganz vertieft in den
Anblick Valeriens, deren gespannter Busen, von Atembeklemmungen
gequält, aus dem losgehäkelten Leibchen hervorquoll.
Man erhob Einwendungen; man rief ihm zu, nicht einzutreten,
worauf er sich entfernte und beteuerte, daß er nur erfahren wolle,
welche Wendung es mit ihr
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