Der häusliche Herd
Wange gelehnt eingeschlafen. In
der Nähe des Orchesters, gedeckt von dem Schnarchen eines
Kontrabasses, war Herr Vabre damit beschäftigt, Herrn Josserand
über sein großes Werk zu unterhalten; er erzählte ihm, wie sehr er
sich seit 14 Tagen den Kopf darüber zerbreche, die richtigen Werke
zweier Maler von gleichem Namen herauszufinden. In seiner Nähe
stand Herr Duverdy inmitten einer Gruppe und sprach einen lebhaften
Tadel über den Kaiser aus, weil dieser die Aufführung eines Stückes
in der Französischen Komödie gestattet habe, in dem die
Gesellschaft angegriffen wurde. Sooft ein Walzer oder eine Polka
anging, mußten die Herren den Platz räumen, tanzende Paare sausten
vorüber, lange Schleppen fegten das Parkett und verursachten in der
von den Kerzen verbreiteten Hitze einen feinen Staub, in den sich
das scharfe Parfüm der Damentoiletten mengte.
Es geht ihr besser, meldete jetzt Campardon, der eben wieder
einen Blick hineingeworfen hatte. Man darf schon eintreten.
Einige Freunde wagten sich hinein. Valerie lag noch immer, doch
hatte der Anfall sich gelegt; man hatte anstandshalber eine
Serviette, die man auf einem Tische gefunden, über ihren entblößten
Busen gebreitet. Am Fenster standen Frau Juzeur und Frau Duverdy
und hörten dem Doktor Juillerat zu, der ihnen erklärte, daß solche
Anfälle nicht selten durch warme Umschläge
auf den Hals rasch beschworen werden könnten.
Die Kranke hatte indes Octave mit Campardon eintreten gesehen;
sie rief ersteren durch einen Wink herbei und richtete in einem
letzten Rest von Fieberphantasie allerlei unzusammenhängende Worte
an ihn. Er mußte neben ihr Platz nehmen, der Doktor selbst
verlangte es, weil vor allem jede Aufregung der Kranken vermieden
werden mußte; da empfing Octave ihre Geständnisse, nachdem er im
Laufe des Abends schon die des Gatten empfangen hatte. Sie zitterte
vor Furcht, hielt ihn für ihren Geliebten und bat ihn, sie zu
verbergen. Dann erkannte sie ihn und brach in Tränen aus, indem sie
ihm für seine Lüge dankte, mit der er sie am Morgen während der
Messe aus der bittern Verlegenheit gerettet hatte.
Octave dachte jetzt an jene andere Krise, bei der er mit
schülerhafter Gier die Lage hatte ausnützen wollen; jetzt war er
ihr Freund; sie werde ihm alles sagen, und das vielleicht besser
sein.
In diesem Augenblicke wollte Theophil, der bis jetzt draußen vor
der Tür gelungert hatte, eintreten. Da andere Herren drinnen seien,
könne wohl auch er hineingehen, dachte er. Doch diese Absicht
brachte neuen Schrecken hervor. Als Valerie seine Stimme hörte,
ward sie von einem Zittern befallen, und man glaubte, eine neue
Krise sei im Anzuge. Er bat und kämpfte mit den Damen, die ihn
zurückschieben wollten. Immer wieder sagte er:
Ich will nur den Namen wissen; sie soll mir nur den Namen
sagen.
Da brach Frau Josserand los, die eben hinzukam. Sie zog Theophil
in den kleinen Salon, um den Skandal zu unterdrücken. Dort sagte
sie ihm wütend:
Werden Sie uns endlich in Ruhe lassen? Seit dem
Morgen martern Sie uns mit Ihren
Dummheiten; Sie haben keinen Takt, mein Herr, Sie haben absolut
keinen Takt. An einem Hochzeitstage darf man nicht auf solche Dinge
versessen sein.
Erlauben Sie, murmelte er, das sind meine Angelegenheiten, die
Sie nichts angehen.
Wie, sie gehen mich nichts an? Aber ich gehöre ja jetzt zu Ihrer
Familie, mein Herr, und glauben Sie mir, daß im Hinblick auf meine
Tochter Ihre Geschichte mir wenig Vergnügen macht! … Sie haben
ihr einen schönen Hochzeitstag bereitet! Kein Wort weiter, mein
Herr, Sie haben keinen Takt!
Er blickte verstört um sich, gleichsam Hilfe suchend. Doch die
übrigen Damen bewiesen durch ihre kühlen Blicke, daß sie ihn ebenso
streng verurteilten. Das Wort machte die Runde: er habe keinen
Takt; denn es gebe Umstände, unter denen man die Kraft haben müsse,
seine Leidenschaften zu bezähmen. Seine Schwester selbst grollte
ihm, und weil er noch widersprechen wollte, erhob sich ein
allgemeiner Sturm gegen ihn. Nein, nein! rief man, es ist nichts zu
sagen; ein solches Benehmen ist unstatthaft.
Dieser Schrei der Entrüstung ließ ihn endlich verstummen. Er sah
so vernichtet, so erbärmlich aus mit dem Gesicht eines verfehlten
Mädchens, daß die Damen mitleidig über ihn lächelten. Wenn man
nicht besitzt, was nötig ist, um eine Frau glücklich zu machen,
soll man nicht heiraten. Hortense maß ihn mit verächtlichen
Blicken; die kleine Angela, deren Anwesenheit man vergessen hatte,
ging mit
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