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Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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zum Zeugen
gehabt zu haben. Übrigens liebte sie ihn nicht, in ihrem
unvermeidlichen Verkehr legte sie eine Art von Groll an den Tag.
Seit langer Zeit durchschaute sie sein Spiel mit der Herrin und
verfolgte seine beharrlichen Bewerbungen mit finstern Blicken und
einem verächtlichen Zucken der Lippen, was ihn manchmal verwirrte.
Wenn dieses große, teuflische Mädchen ihre dürren Hände zwischen
sie ausstreckte, empfand er das bestimmte und unangenehme Gefühl,
daß er Frau Hédouin niemals besitzen werde.
    Indes hatte sich Octave ja sechs Monate Zeit gegeben. Vier waren
kaum verflossen, und schon erfaßte ihn die Ungeduld. Jeden Morgen
fragte er sich, ob er die Dinge nicht beschleunigen solle, wenn er
die geringen Fortschritte sah, die er in der Gunst dieser immer
gleich sanften und kühlen Frau machte. Sie bezeugte ihm schließlich
eine wahre Achtung, gewonnen durch seine weittragenden Gedanken,
durch seine Träume von großen modernen Räumen, von wo aus man Waren
im Werte von Millionen auf die Straßen von Paris ausladen könne.
Wenn ihr Mann nicht zu Hause war und sie des Morgens den
Briefwechsel neben dem jungen Manne öffnete, hielt sie ihn oft
zurück, beriet sich mit ihm und teilte stets seine Ansicht; und
eine Art kaufmännischer Vertraulichkeit setzte sich zwischen ihnen
fest. Bei den Fakturenbündeln begegneten sich ihre Hände; bei dem Prüfen von Ziffern streifte
ihr Atem gegenseitig ihre Haut; vor der Kasse gab es nach günstigen
Einnahmen Augenblicke der Selbstvergessenheit. Doch er mißbrauchte
diese Augenblicke; seine Taktik war schließlich die: sie in ihrer
Eigenschaft als tüchtige Kaufmännin zu fassen und in einer
schwachen Stunde inmitten der großen Aufregung über irgendeinen
unerwarteten Verkauf zu überwinden. Er suchte denn auch nach einem
überraschenden Schlag, der sie ihm überliefern werde. Im übrigen
gewann sie, sobald er nicht mehr über Geschäfte mit ihr sprach,
sofort ihre ruhige Autorität wieder, erteilte ihm höfliche Befehle,
wie sie solche den Ladenjungen erteilt, und leitete das Geschäft
mit der Kälte einer schönen Frau, eine kleine Herrenkrawatte auf
ihrem antiken Statuenhalse tragend und mit dem Ernste eines stets
schwarzen Leibchens sich umgürtend.
    Um diese Zeit wurde Herr Hédouin krank und ging in das Bad von
Vichy zur Kur. Octave freute sich unverhohlen darüber. Frau Hédouin
könne lange genug aus Marmor sein, sie werde schon mürbe werden
während ihres Strohwittums. Er wartete jedoch vergeblich auf ein
Erbeben, eine Regung des Verlanges. Niemals zeigte sie sich so
tätig, niemals war ihr Kopf so frei, das Auge so klar. Mit
Tagesanbruch aufstehend, übernahm sie selbst die Waren im
unterirdischen Magazin, die Feder hinter dem Ohr mit der
beschäftigten Miene eines Angestellten. Man sah sie überall, oben
und unten, in der Seidenabteilung und in der für Wäsche, die
Auspackung und den Verkauf überwachend. Sie ging ruhig herum, ohne
ein Staubkörnchen wegzufegen unter diesen eingepferchten
Warenballen, die das enge Magazin zu sprengen drohten. Wenn er mit
ihr in irgendeinem engen Gange zusammentraf zwischen einer Wand von
Wollwaren und einem ganzen Berge von Servietten,stellte er sich ungeschickt, um sie eine Sekunde lang
an seiner Brust zu haben; doch sie huschte so geschäftig vorüber,
daß er kaum das Anstreifen ihrer Kleider fühlte. Er war übrigens
sehr belästigt von den Augen Fräulein Gasparines, deren Blicke er
immer in solchen Augenblicken auf sie beide gerichtet sah.
    Im übrigen verzweifelte der junge Mann nicht. Manchmal verließ
er den Laden, weil er sich am Ziele wähnte, und teilte schon seine
Lebensweise für den nächsten Tag ein, da er bereits der Liebhaber
der Prinzipalin sein werde.
    Er hatte Marie behalten, um sich in Geduld zu fassen; aber,
obgleich sie leicht zugänglich war und ihm nichts kostete, konnte
sie vielleicht lästig werden mit der Treue eines geprügelten
Hundes. Demnach behielt er sie wohl noch für Abende der Langeweile,
doch dachte er bereits an die Art, wie er mit ihr brechen werde.
Sie in schlechter Weise fahren lassen, erschien ihm ungeschickt.
Eines Sonntagsmorgen, als er seiner Nachbarin in ihrem Bette einen
Besuch machte, während der Nachbar einen Gang in der Stadt
besorgte, kam ihm endlich der Gedanke, Marie ihrem Julius
wiederzugeben, sie einander in die Arme zu legen, so verliebt, daß
er mit beruhigtem Gewissen sich zurückziehen könne. Das war am Ende
noch eine gute Handlung, deren beruhigende Seite ihm

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