Der häusliche Herd
seine
Gewissensbisse nahm. Trotzdem wartete er; er wollte nicht ohne Frau
sein.
Bei den Campardons trat eine andere Verwicklung ein, die Octave
beschäftigte. Er fühlte den Augenblick kommen, wo er seine
Mahlzeiten anderwärts werde einnehmen müssen. Seit drei Wochen
hatte sich Gasparine mit einer immer weiter ausgedehnten Autorität
im Hause eingerichtet. Sie war anfangs jeden Abend gekommen; dann
sah man sie während des Frühstücks, und
trotz ihrer Arbeiten im Laden begann sie alles auf sich zu nehmen,
die Erziehung Angelas und die Vorkehrungen für die Wirtschaft. Rosa
wiederholte häufig in Campardons Gegenwart:
Wenn Gasparine gänzlich bei uns wohnen könnte!
Aber jedesmal rief der Architekt, wütend und vor Scham
verwirrt:
Nein, nein, das kann nicht sein! … Übrigens, wo sollen wir
sie auch unterbringen?
Um sie zu überzeugen, erklärte er, daß man der Kusine sein
Kabinett als Zimmer anweisen, während er seinen Tisch und seine
Pläne im Salon unterbringen müsse. Gewiß würde das ihn nicht
genieren; er würde sich vielleicht sogar eines Tages zu dieser
Umsiedlung entschließen können, denn er bedurfte nicht des Salons,
und es war in der Tat auch zu enge dort, um arbeiten zu können.
Allein Gasparine konnte in ihrer Wohnung bleiben. Wozu sich in
solche Ungelegenheiten stürzen?
Wenn man sich wohl befindet, wiederholte er zu Octave, tut man
unrecht, sieh besser befinden zu wollen.
Um diese Zeit war er genötigt, nach Evreux zu gehen, um dort
zwei Tage zuzubringen. Die Arbeiten des erzbischöflichen Palastes
beunruhigten ihn. Er hatte einem Wunsche des Erzbischofs
nachgegeben, ohne daß er dort offenen Kredit gehabt hätte, und die
Errichtung der Herde in den neuen Küchen und die Heizvorrichtung
drohte eine sehr hohe Ziffer zu erreichen, die ihm schwierig fallen
dürfte, über die Kosten des Unterhalts hinaus zu beschaffen.
Anderseits würde die Kanzel, für die man 3000 Franken bewilligte,
mindestens auf 10 000 zu stehen kommen. Er wünschte sich mit
dem Erzbischof auseinanderzusetzen, um gewisse Vorsichtsmaßregeln
zu treffen.
Rosa erwartete ihn erst für Sonntag abend. Er kam indessen, wie aus den Wolken gefallen, gerade zum
Frühstück an, und sein plötzliches Eintreffen verursachte einige
Bestürzung. Gasparine befand sich gerade bei Tische zwischen Octave
und Angela. Man stellte sich, als sei man vollständig ruhig,
während ein geheimnisvoller Zug sich deutlich kundgab. Lisa hatte
soeben auf einen verzweifelten Wink ihrer Gebieterin die Salontüre
geschlossen, während die Kusine herumliegende Papierstreifen mit
dem Fuße hinter die Möbel schob. Als er sagte, er gehe sich
auskleiden, hielten ihn alle zurück.
Warten Sie doch; nehmen Sie eine Tasse Kaffee; denn Sie haben
doch in Evreux gefrühstückt.
Als er endlich die Verlegenheit Rosas bemerkte, fiel ihm diese
um den Hals.
Du mußt mir nicht gram sein, mein Freund … Ich erwartete
dich erst für den Abend, und da hättest du gewiß alles in Ordnung
getroffen.
Zitternd öffnete sie die Türen, führte ihn in den Salon und in
das Kabinett. – Ein Bett aus Mahagoni, das denselben Morgen von
einem Möbelhändler gebracht war, nahm den Raum ein, wo sonst der
Zeichentisch gestanden hatte, der nun in das anstoßende Zimmer
geschafft worden, in dessen Mitte er stand. Nichts war noch
geordnet; Zeichnungen lagen umher neben Kleidungsstücken von
Gasparine. Die heilige Jungfrau mit dem blutenden Herzen lag gegen
die Mauer gelehnt und war mit einem neuen Waschbecken gestützt.
Es sollte eine Überraschung werden, murmelte Frau Campardon
beklommenen Herzens, ihr Gesicht an der Weste ihres Mannes
verbergend.
Er blickte ganz gerührt um sich, sagte nichts und wich den
Blicken Octaves, den die Szene zu interessieren schien, sorgfältig
aus. Gasparine fragte dann ganz trocken:
Ist Ihnen das unangenehm, Vetter? Rosa hat
mich bestürmt. Wenn Sie aber glauben, daß ich unbequem sei, kann
ich noch weggehen.
Ach, Kusine! rief der Architekt endlich; was Rosa tut, ist
wohlgetan.
Da letztere, an seine Brust gelehnt, in heftiges Schluchzen
ausbrach, fügte er hinzu:
Ei, Mädel, du bist wirklich so dumm zu weinen! … Ich bin ja
mit dir ganz zufrieden, du willst deine Kusine bei dir haben: gut,
so nimm sie zu dir. Ich kann mich in alles schicken. So höre denn
auf zu weinen! Ich will dich umarmen, wie ich dich lieb habe, recht
fest! So, recht fest!
Er aß sie schier auf mit seinen Liebkosungen. Rosa, die wegen
eines Wortes in Tränen
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