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Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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zerfließen konnte, aber inmitten der Tränen
bald wieder lachte, tröstete sich. Sie küßte ihn ihrerseits auf den
Bart und sagte ganz leise:
    Du bist hart gewesen. Küsse auch sie.
    Campardon küßte Gasparine. Dann wurde Angela herbeigerufen, die
mit offenem Munde und leuchtenden Augen vom Speisesaal
hereingeschaut hatte. Auch sie mußte Gasparine umarmen. Octave, der
gefunden hatte, daß man in diesem Hause gar zu zärtlich wurde,
hatte sich entfernt. Er hatte mit Verwunderung die ehrfurchtsvolle
Haltung, die freundliche Zuvorkommenheit Lisas gegen Gasparine
wahrgenommen. Diese Gassendirne mit den blauen Augenlidern war
sicherlich ein recht verständiges Geschöpf!
    Der Architekt, der sich auf die Hemdärmel ausgezogen hatte, war
von einer ausgelassenen Lustigkeit; er pfiff, sang und brachte so
den ganzen Nachmittag mit der Einrichtung des Zimmers für die
Kusine zu. Sie war ihm dabei behilflich, half ihm Möbelstücke
umstellen, packte die Wäsche aus und schüttelte den Staub von den
Kleidern.
    Rosa war sitzen geblieben aus Furcht, sich
zu ermüden, erteilte ihnen aber guten Rat, wies das
Toilettentischchen hierher, das Bett dahin, daß es jeder bequem
habe. Octave sah ein, daß er ihrem Ausdehnungstriebe im Wege stehe;
er merkte, daß er in einer so einigen Haushaltung überflüssig sei,
und teilte ihnen mit, daß er abends außer dem Hause speisen werde.
Er faßte übrigens den Entschluß, am folgenden Tage Frau Campardon
für ihre gute Aufnahme zu danken und unter irgendeinem Vorwande die
Verköstigung zu kündigen.
    Gegen fünf Uhr kam ihm, da er bedauerte, nicht erfahren zu
können, wo er mit Trublot zusammentreffen könne, der Gedanke, bei
den Pichons sich zum Essen anzusagen, um den Abend nicht allein
zubringen zu müssen. Bei seinem Eintritte stieß er jedoch daselbst
auf einen sehr jammervollen Familienauftritt. Die Vuillaumes waren
da, höchst aufgebracht und zitternd vor Erregung.
    Das ist eine Niederträchtigkeit, mein Herr! sagte die Mutter,
die Arme gegen ihren Schwiegersohn ausgestreckt, der wie
niedergedonnert auf einem Stuhle saß. Sie hatten mir Ihr Ehrenwort
gegeben.
    Und du, fügte der Vater hinzu, zur Tochter gewandt, die zitternd
bis zum Büfett vor ihm zurückfuhr, und du hast ihn nicht zu
verteidigen; du bist ebenso strafbar wie er … Wollt ihr denn
Hungers sterben?
    Frau Vuillaume hatte ihren Schal wieder umgehängt, ihren Hut
wieder aufgesetzt und eröffnete ihnen in einem feierlichen
Tone:
    Seid Gott befohlen! Wir werden euch in eurer Unordnung nicht
mehr durch unsere Gegenwart bestärken. Von dem Augenblicke an, wo
ihr unseren Wünschen keine Rechnung tragen wollt, haben wir nichts
bei euch zu tun … Lebt wohl!
    Da ihr Schwiegersohn, der Macht der
Gewohnheit folgend, aufstand, um sie zu begleiten, sagte sie:
    Nicht nötig! Wir werden den Omnibus ohne Sie finden … Geh
voran, Mann. Lassen wir sie ihr Mittagsmahl essen, und möge es
ihnen wohl bekommen, denn sie werden nicht immer eines haben.
    Octave trat ganz verdutzt beiseite, um sie hinausgehen zu
lassen. Als sie weggegangen waren, betrachtete er Julius, der ganz
niedergeschlagen auf einem Sessel saß, und Marie, die ganz blaß vor
dem Speiseschranke stand. Beide schwiegen.
    Was geht mit Ihnen vor? fragte er.
    Anstatt ihm zu antworten, zankte die junge Frau ihren Gatten in
wehmütigem Tone aus.
    Ich habe es dir im vorhinein gesagt. Du hättest noch warten
müssen, bis du ihnen die Sache von ungefähr beigebracht hättest. Es
hatte durchaus keine Eile damit; man merkt es ja noch nicht.
    Was geht denn vor? sagte Octave wieder.
    Ohne sich umzuwenden, sagte sie ihm nun in ihrer Erregtheit rund
heraus:
    Ich bin schwanger.
    Die Leute werden mir endlich langweilig! rief Julius ganz
empört, indem er vom Sessel aufstand. Ich habe es für meine Pflicht
gehalten, sie von dieser Unannehmlichkeit sogleich zu
verständigen … Bilden sie sich gar ein, daß ich meine Freude
daran habe? Ich bin davon mehr überrascht als sie selbst. Und beim
Teufel! es ist gar nicht meine Schuld! Nicht wahr, Marie? wir
wissen kaum, wie das hat kommen können.
    Freilich! versicherte die junge Frau.
    Octave zählte die Monate. Sie war im fünften Monate schwanger,
und vom Dezember bis Mai gerechnet stimmte es genau. Er war darüber ganz erregt. Dann wieder
begann er, daran zu zweifeln. Seine Rührung hielt indes an, und er
empfand ein lebhaftes Bedürfnis, etwas Gutes für die Pichons zu
tun. Julius brummte fort: man werde das Kind immerhin

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