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Der Hagestolz

Der Hagestolz

Titel: Der Hagestolz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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die Bohlen immer geschlossen sind. Gott behüte euch nun, junger Herr - und wenn ihr euch nicht zu lange aufhaltet, und wenn der Eigenthümer der Klause euch zur Ueberfahrt keinen Kahn gibt, so laßt mir nur durch den alten Christoph Nachricht zukommen, und ich werde euch an diesem Plaze wieder abholen. In der Klause haben sie nicht allemal Zeit, ein Schiff abzusenden.«
    Victor hatte indessen das bedungene Ueberfahrtsgeld aus seiner kleinen Börse hervor gesucht, und es dem Manne gereicht. Hierauf sagte er zu ihm: »Lebt wohl, alter Freund, und wenn ihr es erlaubt, so werde ich bei der Rükfahrt ein wenig in eurem Hause einsprechen, und ihr werdet mir vielleicht noch etwas von euren alten Geschichten erzählen.«
    Zu dem Mädchen, das unbeweglich in dem Hintertheile stehen geblieben war, getraute er sich nicht etwas zu sagen.
    Der Greis aber antwortete: »Ei, wie werden denn meine Geschichten einem so jungen und gelehrten Herrn gefallen können?«
    »Vielleicht mehr, als ihr euch denkt, und mehr, als die, die aus den Büchern heraus zu lesen sind,« sagte Victor.
    Der alte Mann lächelte, weil ihm die Antwort gefiel, aber er sagte nichts darauf, sondern bükte sich nieder, rollte die kurze Kette in den Schiffschnabel zurük und machte Anstalt zum Abfahren.
    »Nun in Gottes Namen, junger Herr,« sagte er noch, gab dem Schiffe mit dem Fuße einen Stoß, sprang schnell in dasselbe ein, und das getroffene Fahrzeug schwankte in das Wasser zurük. Nach wenigen Augenbliken sah Victor schon die beiden Ruder taktmäßig steigen und fallen, und das Schiff schob sich in den Wasserspiegel hinaus.
    Er stieg mit einigen Schritten das Ufer vollends hinan, bis er von dem oberen Rande weit über den See schauen konnte. Er blikte den Abfahrenden nach, und sagte zu seinem Begleiter, gleichsam als wäre er vernünftig und könnte die Worte verstehen: »Gott sei gedankt, da wären wir an dem Ziele unserer Wanderung. Der Herr hat uns gut und wohlbehalten geführt, das andere mag sich fügen, wie es will.«
    Er that noch einen Blik in die weite, schöne, von dem Abende andunkelnde Fläche des Seees hinaus, dann wendete er sich um und ging dem Pfade nach, der vor ihm lag, in die Büsche hinein.
    Der Weg ging Anfangs noch immer bergan zwischen Gebüsch und Laubbäumen hindurch - dann aber führte er eben hin. Das Gestrippe hatte aufgehört, und nur mehr ungemein starke Ahorne standen auf einer dunkeln Wiese fast nach einer gewissen Ordnung und Regel umher. Es war unverkennbar, daß hier einmal eine gute Fahrstraße gegangen war, aber sie war verkümmert, und überall von wucherndem Krüppelgesträuche eingeengt. Victor ging durch den seltsamen Ahorngarten hindurch. Hierauf gelangte er durch neuerdings beginnendes Buschwerk an einen sonderbaren Ort. Er war wie eine Wiese, auf der kleine und zum Theile verkommene Obstbäume standen. Aber mitten unter diesen Bäumen war in dem Grase eine runde steinerne Brunneneinfassung, und allenthalben zwischen den Baumstämmen standen graue steinerne Zwerge, welche Dudelsäke, Leiern, Klarinetten und überhaupt musikalische Geräthschaften in den Händen hielten. Manche davon waren verstümmelt, und es ging auch kein Weg oder gebahnter Plaz von einem zum andern, sondern sie standen lediglich in dem hohen emporstrebenden Grase. Victor schaute diese seltsame Welt eine Weile an, dann strebte er weiter. Sein Weg ging von diesem Garten über eine alte Steintreppe in einen Graben hinab, und jenseits wieder hinauf. Wie überall Gebüsche war, so war es auch hier, aber hinter dem Gebüsche sah Victor eine hohe fensterlose Mauer, in welcher ein Eisengitter stand, an dem der Weg endete.
    Victor schloß nicht mit Unrecht, daß hier der Eingang in die Klause sein müsse, und er näherte sich deßhalb dem Gitter. Als er angekommen war, fand er es verschlossen, und es war keine Gloke und kein Klöppel daran. Daß hier der Eingang in das Haus sei, zeigte sich nun deutlich. Hinter dem Eisengitter war ein geebneter, sandiger Plaz, auf welchem Blumen standen. An dem Plaze war ein Haus, von dem aber nur der Vordertheil sichtbar war, während der Hintertheil sich hinter Gebüsche verlief. Unmittelbar von dem Sandplaze ging eine hölzerne Treppe in das erste Geschoß des Hauses hinauf. Jenseits des Plazes, der abermals mit Gebüschen gesäumt war, mußte wieder der See beginnen; denn es war hinter dem Grün der feine sanfte Dunst, der gerne über Bergwässern ist, und es stiegen die röthlich schimmernden Wände der Grisel

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