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Der Hagestolz

Der Hagestolz

Titel: Der Hagestolz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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schönen heiteren Eindrüke des Tages gewöhnt, konnte sich doch auch nicht wegwenden von diesem allmäligen Verfärben der Dinge und von dem Einhüllen zur Ruhe der Nacht. Die große Ermüdung seiner Glieder ließ ihm das Sizen auf dem weichen Grase und geschüzt von den dekenden Gesträuchen recht angenehm erscheinen. Er saß mit dem Spize an seiner Seite so lange, bis endlich das Dunkel mit immer größerer Schnelligkeit sich über See, Gebirge und Himmel webte. Dann beschloß er, sich nieder zu legen. Er machte alle Knöpfe seines Rokes zu, wie es ihn die Ziehmutter gelehrt hatte, daß er sich nicht verkühle - er band das Halstuch, das er unter Tags abgethan hatte, wieder um - er that sein Regenmäntelchen aus Wachstaffet heraus, und nahm es über - dann richtete er sich das Ränzchen als Kissen, und legte das Haupt darauf, da die Finsterniß schon wie eine Mauer um ihn stand. Das Begehren nach Schlummer zog sich, da er lag, bald durch alle seine ermüdeten Glieder. Die Gesträuche flüsterten, da sich das Lüftchen von dem See bis hieher gezogen hatte, und die Brandung murmelte deutlich von Wand zu Wand.
    In diese Eindrüke, deren Wirkungen immer schwächer wurden, versanken seine Sinne, und das Bewußtsein wollte eben verschwinden, als er durch ein leises Knurren seines Hundes gewekt wurde. Er schlug die Augen auf - da stand einige Schritte vor ihm dicht am Landungsplaze eine menschliche Gestalt sich dunkel gegen das schillernde Wasser des Seees werfend. Victor strengte seine Augen an, mehr von der Gestalt zu erkennen, aber die Umrisse zeigten nur, daß sie ein Mann sei, und es ließ sich nicht ermitteln, ob jung oder alt. Die Gestalt stand ganz ruhig, und schien unverwandt auf das Wasser hinaus zu schauen. Victor richtete sich zu sizender Stellung empor, und blieb ebenfalls ruhig. Auf ein neues stärkeres Knurren des Hundes drehte sich die Gestalt plözlich um und rief: »Seid ihr da, junger Herr?«
    »Ein junger Wandersmann mit seinem Hunde ist da,« sagte Victor, »was wollt ihr?«
    »Daß ihr zum Abendessen kommt, denn die Stunde ist fast schon vorüber.«
    »Zum Abendessen? - zu wessen Abendessen? - und wer ist es, den ihr suchet?«
    »Ich suche unsern Neffen; denn der Oheim wartet schon eine Viertelstunde.«
    »Seid ihr sein Gesellschafter, oder sein Freund?«
    »Ich bin sein Diener, Namens Christoph.«
    »Des Herrn der Klause, meines Oheims?«
    »Des nehmlichen. Er hat die Anzeige eurer Herreise erhalten.«
    »Nun so sagt ihm,« sprach Victor, »daß ich hier die ganze Nacht sizen will, und daß ich mir eher einen Stein um den Hals hängen und mich in den See werfen lasse, als daß ich den Hund ertränke, der mit mir ist.«
    »Ich werde es ihm sagen.«
    Mit diesen Worten kehrte sich der Mann um, und wollte fortgehen.
    Victor rief ihm noch ein Mal nach: »Christoph, Christoph.«
    »Was wollt ihr, junger Herr?«
    »Ist kein anderes Haus, oder eine Hütte, oder sonst ein Ding auf der Insel, in welchem man übernachten könnte?«
    »Nein, es ist nichts da,« antwortete der Diener, »das alte Kloster ist zugesperrt, die Kirche auch, die Speicher sind mit altem Geräthe vollgepfropft, ebenfalls verschlossen, und sonst ist nichts da.«
    »Es ist auch gut,« sprach Victor, »das Haus meines Oheims besuche ich durchaus nicht - von diesem Hause verlange ich keinen Schuz. - - Mir däucht, der alte Schiffmann, der mich herüber geführt hat, hat euren Namen genannt, und hat gesagt, daß ihr manchmal in die Hul hinaus kämet.«
    »Ich hole unsere Lebensmittel und andere Dinge herüber.«
    »So hört mich an, ich will euch euren Fährlohn reichlich zahlen, wenn ihr mich heute noch in die Hul hinüber schifft.«
    »Und wenn ihr noch mehr zahltet, als ich verlangen wollte, so wäre es dreimal unmöglich. Erstens stehen alle Kähne in dem Bohlenverschluße, das Thor ist gesperrt, und jeder Kahn liegt noch mit einem Schlosse an seinem Balken angeschlossen, wovon ich keinen Schlüssel habe. Zweitens, wenn auch ein Kahn wäre, so wäre kein Fährmann. Ich werde es euch erklären. Seht ihr dort gegen den Orla zu die weißen Fleke, die auf dem See sind. Das sind Nebelfleken, die gleichsam auf den Steinen des Orlaufers sizen. Wir heißen sie die Gänse. Und wenn die Gänse einmal in einer Reihe da sizen, dann kömmt Nebel. Wenn die Abendwehe, das ist der Wind, der nach jedem Sonnenuntergange aus den Schluchten auf den See heraus geht, aufhört, dann ist in einer halben Stunde der See mit Nebel angefüllt, und da kann man

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