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Der Hagestolz

Der Hagestolz

Titel: Der Hagestolz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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leuchtend, und obwohl sie in der Nacht der höchste Berg geschienen hatte, so standen doch nun höhere neben ihr, die er in der Nacht nicht gesehen hatte, und die nun sanft blau nieder schienen, und an vielen Stellen Schneefleken zeigten, die sich wie weiße Schwäne in die Spalten dukten. Alles glänzte und flimmerte durcheinander, hohe Bäume standen vor dem Hause in einer solchen Nässe, wie er sie nie gesehen hatte, die Gräser troffen, überall gingen breite Schatten nieder, und das Ganze erschien noch einmal in dem See, der von jeder Floke Nebel rein gefegt, wie der zarteste Spiegel dahin lag. Victor hatte seine Fenster aufgerissen und stekte das blühende Angesicht zwischen den Eisenstäben hinaus. Sein Erstaunen war außerordentlich. Mit alle dem Getümmel an Lichtern und Farben herum bildete das todähnliche Schweigen, mit dem diese ungeheuren Bergeslasten herum standen, den schärfsten Gegensaz. Kein Mensch war zu sehen - auch vor dem Hause nicht - nur einige Vögel zwitscherten zeitweilig in den Ahornen. Welch ein Morgenlärm mochte nicht in all diesen Höhen sein, aber er war nicht zu vernehmen, weil sie zu ferne standen. Victor strekte den Kopf, so weit er konnte, hinaus, um herum schauen zu können. Er sah einen ziemlichen Theil des Seees. Ueberall schritten Wände an demselben hin, und der Jüngling konnte durchaus nicht errathen, wo er herein gekommen war. Auch die Sonne war an einem ganz andern Orte aufgegangen, als er erwartet hatte, nehmlich hinter dem Hause, und seine Fenster waren noch im Schatten, was eben das Licht der gegenüber liegenden Wände noch erhöhte. Mit dem Monde, den er gestern seiner Lichtwirkung nach höchstens für eine schmale Sichel gehalten hatte, war er ebenfalls im Irrthume; denn er stand nun als Halbmond noch am Himmel, gegen die Zaken der Gebirge sich nieder neigend. Victor kannte die Wirkung der Lichter in den Bergen noch nicht. Welche Fluth hätte auf die fernen Wände fallen müssen, daß sie so erleuchtet dagestanden wären, wie der Kirchthurm seines Dorfes, der im Mondscheine immer so schimmernd weiß und scharf in die dunkelblaue Nachtluft empor gestanden war. Obwohl die Sonne schon ziemlich hoch stand, so war doch die Luft, die zu seinen Fenstern herein strömte, noch so kalt und naß, wie er sie zu Hause nicht gewohnt war; allein sie belästigte ihn nicht, sondern sie war zugleich so fest und hart, daß sie alle seine Lebensgeister anregte.
    Er trat endlich von dem Fenster zurük, und fing an sein Ränzlein auszupaken, um sich anders anzukleiden, als er auf der Reise gewesen war; denn heute, dachte er, wird der Oheim zu ihm sprechen, und wird ihm erklären, warum er ihn zu sich auf diese vereinsamte Insel habe kommen lassen. Er legte reine Wäsche heraus, er bürstete den Staub von dem zweiten Anzuge,
    den er außer dem Reisekleide noch mit sich führte, er benüzte
    reichlich das spiegelklare in dem zinnenen Kruge vorhandene Wasser, um den Reisestaub von sich zu waschen, und zog sich dann so zusammen stimmend und passend an, wie er es in dem überreinlichen Hause seiner Ziehmutter gelernt hatte. Selbst den Spiz, der ein so unwillkommener Gast in diesem Hause war, hatte er vorher noch gekämmt und gebürstet. Dann legte er ihm wieder das Halsband um, und knüpfte seine Schnur an den Ring desselben. Als sie beide ganz und gar fertig waren, schloß er seine Thüre auf, und wollte in das Zimmer gehen, wo sie gestern Abends gegessen hatten, um den Oheim zu suchen. Als er aber auf dem Gange war, fiel ihm ein, daß er heute zum ersten Male sein Morgengebet vergessen habe. Es mußte in der Wirkung der großen nie gekannten Eindrüke des heutigen Morgens geschehen sein. Er ging daher noch einmal in das Zimrner zurük, stellte sich wieder an das Fenster, und sagte die einfachen Worte, die er sich einst heimlich und ohne daß jemand etwas davon wußte, zu diesem Zweke zusammen gedacht hatte. Dann trat er zum zweiten Male den Weg zu dem Oheime an.
    Das eiserne Gitter am Gange war nicht mehr versperrt, er trat durch dasselbe hindurch und fand leicht den Gang, aus welchem er gestern in das Speisezimmer war geführt worden - aber der Gang hatte gar keine Thür, die in ein Gemach hätte leiten können, sondern es standen in demselben lauter alte Kästen, die er schon gestern beim Schlafengehen im Kerzenscheine gesehen hatte. Die Gangfenster waren von unten gegen oben mit Brettern verschlagen, nur eine kleine Oeffnung war oben frei, daß durch das Glas das Licht herein fallen

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