Der Hagestolz
entgegnete Victor; »aber das sage ich euch, Oheim, daß von nun an alle Bande zwischen uns zerschnitten sind, und daß wir nicht mehr in einem verwandtschaftlichen Verhältnisse stehen können.«
»Gut,« antwortete der Oheim.
Victor sezte noch im Zimmer sein Barett auf das Haupt, zerrte den Spiz, den er bei sich hatte, an der Schnur hinter sich her, und ging zur Thür hinaus.
Der Jüngling betrachtete sich nun von jeder Rüksicht, die er sonst gegen den O heim beobachten zu müssen geglaubt hatte, frei, und beschloß fortan jede Handlungsweise sich zu erlauben, die ihm nicht von seinem Sittlichkeitsgefühle verbothen, oder von den Grenzen der offenbaren Gewalt unmöglich gemacht worden wäre.
Er ging von dem Oheime in sein Zimmer und schrieb dort über zwei Stunden. Dann ging er ins Freie. An der Treppenthür war von innen und von außen ein Ring, der als Klöppel diente. Wollte Victor von nun an entweder hinein oder hinaus, so ging er nicht mehr, wie bisher, zu dem Oheime, daß er ihm öffne, sondern er stellte sich an die Thür, und schlug mit dem Klöppel gegen dieselbe. Auf dieses Zeichen kam der Oheim allemal, wenn er in seinem Zimmer war, heraus und öffnete. War er selber im Freien, so stand die Thür ohnehin offen. Bei dem Mittagmale des ersten Tages redete Victor nichts, der Oheim fragte ihn auch nichts, und als das Essen vorüber war, standen beide auf, und Victor ging sogleich fort. Auf dieselbe Weise war das Abendmal.
Victor ging nun daran, alle Theile des eingeschlossenen Raumes zu durchforschen. Er drang in die Gebüsche, welche hinter dem Hause standen, er ging von Baum zu Baum, und sah jeden an, und untersuchte ihn um seine Eigenschaften und um seine Gestalt. Einmal drang er durch alle Gebüsche und Schlinggewächse, welche an der Innenseite der Einschlußmauer des Besizthumes waren, längs der ganzen Mauer dahin. Sie war, wie dumpfig und morsch sie auch an vielen Stellen von den unsäglichen Gewächsen, die an ihr wuchsen, war, dennoch überall ganz genug und fest genug. In dem Hause, in welchem er mit dem Oheime wohnte, durchsuchte er alles Treppe auf Treppe ab, Gang aus Gang ein; aber es war bei diesen Untersuchungen nicht viel zu finden. Ueberall, wo sich eine Thür oder ein Thor zeigte, waren die Schlösser gut versperrt, zum Theile standen große schwere Kästen davor, in denen einst Getreide oder dergleichen gewesen sein mochte, und hinderten auf ewig das Oeffnen, wie ja auch die meisten Fenster der Gänge, wie Victor gleich am ersten Tage bemerkt hatte, bis auf einen kleinen Theil, durch den das Licht kam, mit Brettern verschlagen waren. Außer den Gängen, die zwischen dem Speisezimmer und seinen zwei Wohnzimmern liefen, und außer der Treppe, über welche er in die Küche hinab gelangen konnte - welche zwei Dinge er ohnehin schon lange kannte - entdekte er im Hause seines Oheims nichts, als etwa die Treppe, welche einst abwärts zu dem Ausgange geführt hatte, nun aber an einem Thor endete, das niedrig, verschlossen und mit Rost bedekt war.
Was Victor am meisten reizte, war das alte Kloster. Er ging an allen Seiten des grauen einsamen Vierekes herum, und eines Tages, da er in dem verfallenen Klostergarten war, von dem man die Thürme sehen konnte, gelang es ihm, über eine niedere Quermauer, aus welcher er mehrere Ziegel heraus brechen konnte, in einen Zwinger zu steigen, und aus demselben in innere nicht verschlossene Räume zu kommen. Er wanderte durch einen Gang, wo die alten Aebte aus und ein gegangen waren, abgebildet waren, aus schwarzen Bildern nieder sahen, und blutrothe Namen und Jahreszahlen zu ihren Füssen hatten. In die Kirche gelangte er und stand an den von Gold und Silber entblößten Altären - dann war er über manche von ewigem Treten zerschleifte Steinschwelle in zufällig offen stehende Zellen gekommen, in denen es nun hallte und wo dumpfe Luft stand. Zulezt war er in die Thürme gestiegen, und hatte die ruhigen verstaubten Gloken hängen gesehen. Als er wieder über die Quermauer in den Obstgarten hinaus geklettert war, lösete er den Spiz, den er an einem Strunke angebunden hatte, und der indessen stille da gesessen war, wieder los und ging mit ihm fort.
Mehrere Tage darnach, als er mit dem Oheime den seltsamen Auftritt gehabt hatte, ging er einmal in das Bohlenhaus hinab, um sich, wie er es öfters gethan hatte, mehrere Theile seines Körpers in dem erquikenden Wasser zu waschen. Als er auf den lezten Stufen so saß, und, um sich abzukühlen, vor sich hin
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