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Der Hagestolz

Der Hagestolz

Titel: Der Hagestolz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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Bohlenhaus zu schritt, um zu schwimmen, und wie gewöhnlich den armen Spiz an der Schnur hinter sich herzog, redete ihn der Oheim, der nach seiner Art auf einer Bank in der Sonne saß, an, und sagte: »Du darfst den Hund nicht so an der Schnur führen, du kannst ihn schon frei mit dir gehen lassen, wenn du willst.«
    Victor warf seine Augen erstaunt gegen den Mann, und sah wenigstens keine Unehrlichkeit in seinem Angesichte, wenn auch sonst nichts anderes.
    Am folgenden Tage ließ er den Spiz des Nachmittags versuchsweise frei. Es geschah ihm nichts, und er ließ ihn von nun an alle Tage frei mit sich gehen.
    So verfloß wieder einige Zeit.
    Ein anderes Mal, als Victor eben schwamm, und zufällig seine Augen empor richtete, sah er den Oheim in einer Thür, die sich aus dem Dache des Bohlenhauses öffnete, stehen und auf ihn herunter schauen. In den Mienen des alten Mannes schien sich Anerkennung auszusprechen, wie der Jüngling so geschikt die Wasserfläche theilte, und öfter mit freundlichen Augen auf den Hund sah, der neben ihm her schwamm. Auch die hohe Schönheit des Jünglings war eine sanfte Fürbitte für ihn, wie die Wasser so um die jugendlichen Glieder spielten und um den unschuldsvollen Körper floßen, auf den die Gewalt der Jahre wartete, und die unenträthselbare Zukunft des Geschikes. - - Ob sich auch etwas Verwandtschaftsneigung in dem alten Manne gegen das junge einzige Wesen regte, das ihm an Blut näher stand, als alle übrigen auf der Erde - wer kann es wissen? Auch ob er heute das erste Mal, oder schon öfter zugeschaut hatte, war ungewiß; denn Victor hatte früher nie gegen das Bohlenthor empor geblikt; - aber am andern Tage um fünf Uhr Nachmittags, als Victor über den Gartenplaz ging, den Oheim an den Blumen, der einzigen lieblichen Beschäftigung, bei der er ihn je erblikt hatte, herum arbeiten sah, und ohne ihn anzureden vorüber gegangen war, fand er zu seiner größten Ueberraschung, da er in das Schiffhaus gekommen war, eine der Bohlenthüren offen stehen. Er war geneigt, dieses Ereigniß irgend einem ihm unbekannten Umstande zuzuschreiben; allein am nächsten Tage und alle folgenden Tage stand um fünf Uhr das Bohlenhaus offen, während es den ganzen übrigen Theil des Tages immer gesperrt war.
    Victor wurde durch diese Sachen aufmerksam, und erkannte leicht, daß er von dem Oheime beobachtet werde.
    Als er, weil die Zeit gar so todtlangsam hin ging, wieder einmal, was er seit seiner Gefangenschaft aus Stolz nie gethan hatte, sehnsüchtig an dem eisernen Gitter der Einschlußmauer stand, und sein Angesicht zwischen zwei Stäbe legte, um hinaus zu schauen, hörte er plözlich in dem Eisen ein Rasseln; eine Kette, die er schon öfter an den Stäben bemerkt hatte, wie sie empor ging und sich in die Mauer verlor, bewegte sich, und in dem Augenblike fühlte er an dem sanften Nachgeben der Stäbe nach auswärts, daß das Gitter offen sei und ihn hinaus lasse. Er ging hinaus und ging in einigen Theilen der Insel herum. Er hätte jezt die Gelegenheit zur Flucht benüzen können, aber weil ihn der Oheim freiwillig hinausgelassen hatte, benüzte er sie nicht, und begab sich wieder freiwillig in sein Gefängniß. Bei seiner Annäherung an das Gitter war dasselbe zu, öffnete sich aber, als er heran trat und ließ ihn herein, sich hinter ihm wieder schließend.
    Durch alle diese Sachen hätte Victor weicher werden müssen, wenn der Mann nicht schon vorher am sanftesten sein Herz dadurch gerührt hätte, daß er ihm den Spiz frei gemacht hatte.
    Der Jüngling fing nun folgerechter Weise auch seinerseits an, den Greis näher zu beobachten, und oftmals zu denken: »Wer weiß, ob er so hart ist, und ob er nicht vielmehr ein unglüklicher alter Mann sei.«
    So lebten die zwei Menschen neben einander hin, zwei Sprossen desselben Stammes, die sich hätten näher sein sollen, als alle andern Menschen, und die sich so ferne waren, wie keine andern - zwei Sprossen desselben Stammes, und so sehr verschieden: Victor das freie heitere Beginnen, mit sanften Blizen des Auges, ein offener Plaz für künftige Thaten und Freuden - der Andere das Verkommen, mit dem eingeschüchterten Blike, und mit einer herben Vergangenheit in jedem Zuge, die er sich einmal als einen Genuß, also als einen Gewinn, aufgeladen hatte. In dem ganzen Hause lebten nur vier Personen: der Oheim, der alte Christoph, Rosalie, so hieß die alte Haushälterin und Köchin, und endlich das blödsinnige auch schon alte Mädchen Agnes, welche

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